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Silvy will die Erste sein

Silvy will die Erste sein

Titel: Silvy will die Erste sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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kehrte auf den Balkon zurück, zog ihren Bademantel aus, legte sich
gemütlich in einen Liegestuhl, blickte eine Zeitlang gedankenverloren in das
Grün der Bäume, bevor sie ihr Buch aufschlug und zu lesen begann.
    Frau Helwig kam heraus. „Ich
dachte, du wolltest noch baden gehen?“
    „Stimmt, aber ich habe es mir
anders überlegt.“
    „Warst du nicht verabredet?“
    „Doch, aber ich muß auf Silvy
warten.“
    „Silvy?! Die war doch gerade
erst da.“
    „Sie kommt noch einmal.“
    „Ach so. Dann achte, bitte, auf
die Klingel. Ich gehe einkaufen, und du bist die nächste halbe Stunde allein zu
Hause.“
    „Ich passe schon auf, Mutti.
Laß, bitte, die Zwischentüren offen.“ Olga hatte sich nicht verrechnet. Es
dauerte kaum zehn Minuten, da klingelte es, und als sie öffnete, stand Silvy
vor ihr; sie mußte unterwegs kehrtgemacht haben.
    Olga tat erstaunt. „Hast du was
vergessen?“
    „Nein. Ich habe mir nur alles
überlegt. Ich muß noch einmal mit dir sprechen.“
    „Wenn es denn sein muß.“ Olga
ging voraus in ihr Zimmer.
    „Es hat keinen Zweck, wenn ich
Katrin und die anderen anzeige“, platzte Silvy heraus, „sie werden sich doch
wieder herauslügen, und der Künzel wird ihnen helfen, ob er nun mit ihnen im
Komplott ist oder nicht.“
    „Stimmt auffallend“, sagte Olga
und warf sich auf ihr Bett.
    „Das hast du gleich gewußt?
Warum hast du mich denn nicht darauf aufmerksam gemacht?“
    „Warum sollte ich? Ich bin doch
schließlich nicht deine Gouvernante.“
    Silvy setzte sich und begann
auf ihren Knöcheln zu kauen.

    „Was hast du also jetzt vor?“
fragte Olga. „Ich nehme an, du willst die ganze Sache fallenlassen.“
    „Nein, nein, ich habe mir etwas
anderes überlegt! Paß mal auf, Olga, wenn ich auch im vorhinein die Aufgaben
wüßte, dann könnte ich mich so gut wie die anderen vorbereiten...“
    „Sie lernen sie auswendig.“
    „Warum nicht? Das wäre das
wenigste. Aber ich müßte sie haben.“
    Olga schwieg.
    „Kannst du sie mir nicht
beschaffen? Ich würde dir noch einen anderen Kaktus dafür geben...“
    „Nein, nein, wo denkst du hin!
Ich bin nicht käuflich!“ sagte Olga und war zum ersten Mal in ihrem Leben froh,
daß sie grundlos errötete.
    „Aber das ist doch ungerecht!“
rief Silvy. „Wenn die anderen die Lösungen schon wissen, dann wäre es doch ganz
ungerecht, wenn ich mir den Kopf zerbrechen müßte.“
    „Es werden schließlich noch
mehr bei der Arbeit mitmachen“, gab Olga zu bedenken, „dann müßte man doch auch
die einweihen, und dann käme die Sache bestimmt auf...“
    „Nein, nein, das täte ich
nicht“, sagte Silvy hastig, „ich will die Aufgaben nur für mich haben! Ich will
mit Katrin, Ruth und Leonore gleichziehen. Was die anderen machen, ist mir ganz
schnuppe.“
    Olga war nahe daran, sie darauf
aufmerksam zu machen, daß dies doch ein sehr sonderbarer Standpunkt sei, aber
dann wurde ihr klar, daß sie Silvy fast da hatte, wo sie sie hatte haben
wollen, und sie wartete einfach ab, wie es weitergehen würde.
    „Bitte, Olga“, sagte Silvy,
„kannst du mir nicht die Aufgaben verschaffen?“
    „Das ist ein bißchen viel
verlangt.“
    „Aber du könntest es, wenn du
nur wolltest!“
    Olga tat, als müßte sie es sich
gründlich überlegen.
    „Denk daran, es geht um eine
gute Sache!“ drängte Silvy.
    „Na, ja“, sagte Olga,
„schließlich könnte ich so tun, als ob ich mich selber an der Arbeit beteiligen
wollte, und Katrin um eine Kopie bitten.“
    Silvy sprang auf. „Wenn du das
schaffst, bist du ein Engel!“
    „Nur nicht übertreiben“, wehrte
Olga ab.
    „Wann?“ fragte Silvy. „Wann
werde ich die Aufgaben bekommen?“
    „Frühestens heute abend. Katrin
ist im Neptun-Bad...“
    „Dann geh doch hin!“
    „Was soll das nützen? Sie hat
die Aufgaben bestimmt nicht bei sich, und meinetwegen wird sie keine fünf
Minuten früher nach Hause gehen. Nein, ich fahre gegen sechs, wenn es kühler
wird, zu ihr ins Hochhaus und, egal, ob ich was erreiche, ich komme von da aus
schnurstracks zu dir.“
    „Ich werde dir Däumchen
halten!“ sagte Silvy.
    Als sie Olga verließ, klopfte
ihr Herz höher. Sie bewunderte sich selber, wegen ihrer guten Beobachtungsgabe
— wie richtig hatte sie erkannt, daß mit Katrin, Leonore und Ruth etwas nicht
stimmte! — und wegen ihres intelligenten Entschlusses. Es hatte gar keinen
Sinn, die drei jetzt schon anzuzeigen. Wenn sie die Arbeit genauso gut schrieb
wie die anderen, hatte sie ihnen den

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