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Silvy will die Erste sein

Silvy will die Erste sein

Titel: Silvy will die Erste sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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Wind aus den Segeln genommen, und danach —
aber erst danach! — konnte sie die Intrige immer noch auffliegen lassen, denn
dann hatte sie ja den Beweis in der Hand. Sie würde die Kopie vorzeigen können,
die ihr Olga hoffentlich bringen würde und die bis aufs Haar mit der wirklichen
Arbeit übereinstimmte. Dann sollten Katrin und Genossen doch mal versuchen, wie
sie sich da herausreden konnten, und wenn der gute Doktor Künzel wirklich mit
drin war, so würde er eben mit seinen Schützlingen zusammen hochgehen.
    Silvy fühlte sich geradezu
siegestrunken.
    Aber je mehr Stunden vergingen,
desto größer wurde ihre Nervosität. Schon war ihr Vater nach Hause gekommen,
das Abendbrot verzehrt, sie hatte ihrer Mutter beim Spülen geholfen, und immer
noch ließ Olga sich nicht blicken.
    Endlich, als Herr Heinze schon
bei der Abendschau saß, klingelte es.
    „Das ist für mich!“ schrie
Silvy und stürzte zur Türe.
    Es war tatsächlich Olga, und am
liebsten wäre sie ihr um den Hals gefallen. „Du hast doch...?“ rief sie.
    „Leise!“ mahnte Olga und zog
sie zu sich auf den Flur hinaus. „Es sind drei verschiedene Aufgaben-Reihen,
wahrscheinlich hat Künzel vor, die Klasse in drei Gruppen zu teilen. Hier, das
sind die Durchschriften, die ich von Katrin bekommen habe. Es hat etwas länger
gedauert, weil ich sie mir selber noch abgeschrieben habe. Sie könnte Verdacht
schöpfen, wenn ich, nach all dem Theater, das ich ihr vorgemacht habe, dann
doch nicht an der Arbeit teilnehmen würde.“
    „Da hast du recht“, pflichtete
Silvy ihr bei.
    „Lösungen und Zwischenlösungen
stehen auch drauf“, erklärte Olga, „Katrin hat sie schon ausgearbeitet. Du
kannst sie ja vorsichtshalber noch einmal nachrechnen, und wenn du einen Fehler
findest, sage mir, bitte, Bescheid. Ansonsten brauchst du sie nur noch
auswendig zu lernen.“
    Silvy überflog die Bogen, von
denen jeder mindestens zehn Aufgaben enthielt. „Das ist aber ein ganz schönes
Stück Arbeit!“ rief sie.
    „Es lohnt sich“, sagte Olga
lächelnd, „tschau!“
    „Tschau“, erwiderte Silvy und
kehrte, die Durchschläge in der Hand, nachdenklich in die Wohnung zurück.
    Zu spät fiel ihr ein, daß sie
sich eigentlich wenigstens bei Olga hätte bedanken können; sie ahnte noch
nicht, wie wenig Grund sie dazu hatte.
     
     
     

Vier gegen
eine
     
    Am Freitag nachmittag konnte
Silvy Heinze die drei Aufgabenreihen samt Zwischenlösungen und Endlösungen, die
Olga ihr zugespielt hatte, auswendig von vorne nach hinten und von hinten nach
vorne fehlerlos und ohne zu stocken herunterschnurren. Sie hatte wirklich daran
gearbeitet, bis in die Nacht hinein, und war sich jetzt ihrer Sache sehr
sicher.
    Auch Katrin, Ruth und Olga, die
zu den ersten gehörten, die in der Parkschule eintrudelten, trugen
selbstgefällige Mienen zur Schau; sie kamen, fröhlich plaudernd und wie die
meisten anderen Mädchen, ohne ihre Schultaschen an und brachten nur ihre
Federmappen mit.
    Es war für alle ein
ungewöhnliches Gefühl, am Nachmittag zur Schule zu gehen. Das große, moderne
Gebäude wirkte anders als sonst, wenn es von Schülerinnen wimmelte.
Einzelheiten, die sie sonst schon gar nicht mehr sahen, weil sie so an sie
gewöhnt waren, machten heute wieder Eindruck auf sie: der Springbrunnen vor dem
Tor, das bunte Mosaikbild in der Eingangshalle und die großen Fenster, die hell
in der Sonne blitzten.
    Die weiße Fassade der
Parkschule sah aus wie frisch geschrubbt; es war, als hätte sie ein
freundliches und einladendes Gesicht aufgesetzt, und so fühlten sich die
Schülerinnen der sechsten Klasse eher festlich erregt als bänglich, wie es
sonst vor einer Klassenarbeit der Fall war. Sie stießen sich gegenseitig in die
Rippen, tuschelten miteinander und kicherten, als sie die Gänge und Treppen zu
ihrem Klassenzimmer hinaufliefen, und ihr Gelächter hallte in dem leeren Haus
wider.
    Außer ihnen war nur eine Gruppe
großer Mädchen in der Nähe, die auf dem Sportplatz unter Anleitung von Fräulein
Freysing Leichtathletik trainierten.
    Über zwanzig Mädchen
versammelten sich nach und nach im Zimmer der sechsten Klasse, aber sie setzten
sich, wie auf Verabredung, nicht auf ihre Plätze, sondern harrten stehend oder
sich auf den Tischen und Fensterbänken lümmelnd der Dinge, die da kommen
sollten.
    „Achtung!“ schrie Katrin, als
Dr. Künzel in Sicht kam.
    Alle Mädchen sprangen auf und
nahmen Haltung an.
    Der Mathematiklehrer zwinkerte
mit den Augen. „Rührt euch“,

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