Simon Schweitzer - immer horche, immer gugge (German Edition)
Selbstmord.“
„Oh. Warum?“
„Hat sein ganzes Geld mit Warentermingeschäften verspekuliert. Wie so viele andere auch. Aber er hatte Frau und Kind zu ernähren.“
„Da bringt man sich doch nicht einfach um.“ Und nach einer Weile fügte sie hinzu: „Entschuldigung. Das war taktlos von mir. Du magst bestimmt nicht daran erinnert werden.“
Simon Schweitzer winkte ab. „Schon gut. So ein richtiger Freund war er auch nicht, eher ein entfernter Bekannter.“
Kurze Pause.
Ende der kurzen Pause.
Maria: „Karins Schwester ist da.“
„Ja, ich weiß. Hast du mir gestern erzählt.“
„Sie hat mir gesagt, daß man jetzt auch gegen Karin ermittelt. Das ist doch grotesk.“
Das war es allerdings, aber nicht für Simon Schweitzer. „Wundert mich überhaupt nicht.“ Eigentlich wollte Herr Schweitzer jetzt sagen, daß die Polizei sogar einen Sachsenhäuser Apostel in Verdacht habe, aber das hätte nur zu weiteren Erklärungen genötigt. Wegen des Ausdrucks Apostel. Mit Bravour meisterte er diesen Stolperstein: „Man ermittelt sogar gegen einen Pfarrer aus Sachsenhausen. Selbst mich hat man schon vernommen.“
„Dich?“
„Ja, mich.“ Mannhaft machte Simon Schweitzer eine wegwerfende Bewegung, gerade so, als lasse ihn das völlig kalt. „Aber das juckt mich nicht. Die können mir gar nichts.“
Maria versank ins Schweigen.
Selbiges wurde von Simon Schweitzer kurz darauf unterbrochen: „Aber in Zeiten wie diesen mußt du mit allem rechnen. Und schließlich, irgendwer muß ja der Mörder sein.“
„Ja, aber doch nicht Karin“, empörte sich Maria.
Und was ist mit ihm? Zog sie einen Massenmörder Schweitzer in Betracht? „Und was ist mit mir?“
„Du doch auch nicht.“ Maria tätschelte seinen Oberschenkel und wechselte das Thema. „Schöne Grüße von Babsi übrigens.“
Babsi? Ach du heiliger Bimbam, wer war Babsi? Dumpf erinnerte er sich daran, den Namen schon mal gehört zu haben. „Babsi?“
„Na, Karins Nichte, Hannelores Tochter. Letztes Wochenende im Frühzecher. Hat der Herr Gedächtnisprobleme? Ausdrücklich soll ich den lustigen älteren Herrn Simon grüßen. So stand es auf der Postkarte aus Bay City.“
„Natürlich, Karins Nichte, Hannelores Tochter Babsi. Letztes Wochenende im Frühzecher. Ich bin doch nicht blöd. Aber ein älterer Herr bin ich trotzdem nicht. Lustig, vielleicht.“
„Aber du hast dich doch ganz gut gehalten.“ Erneut tätschelte sie seinen Oberschenkel. „Schau mal“, Maria deutete auf das Fenster, „ist das nicht schön?“
Sie standen auf und traten an die Fensterbank. Die Sonne ging gerade unter und hinterließ im Westen eine Orgie aus Rot und Orange. Man öffnete das Fenster um besser sehen zu können. Die prächtige Farbkomposition bewirkte bei Herrn Schweitzer einen erhöhten Euphorisierungsgrad. Das wiederum hatte zur Folge, daß er einiges wagte und seine Hand auf Marias Schulter legte, was auch umgehend mit einem Anlehnen an seine Brust erwidert wurde. Ihm ward ganz warm ums Herz.
Nun standen auch die anderen auf, das Naturschauspiel gebührend zu bewundern. Otto und Benedikt schienen in Sachen Romantik sehr bewandert zu sein und verglichen die Pracht der Farben mit Gemälden Paul Gauguins. In der Tat gemahnte das Szenario an Südseeträume.
Mindestens eines der herrenlosen Mädels hatte mittlerweile die sexuellen Begierden Ottos und Benedikts durchschaut und war wegen Claudio zu Laura in Konkurrenz getreten. Das war natürlich nur einem sehr sensiblen Beobachter wie Herrn Schweitzer zugänglich. Diese Sensibilität, seien wir ehrlich, war aber auch darauf zurückzuführen, daß er hier eigentlich der Platzhirsch war und dem allgemeinen Sittenverfall sowieso sehr ablehnend gegenüberstand. Im übrigen glaubte er, daß dieser Schönling Claudio, dessen zerebrale Genese vor vielen Jahren ins Stocken geraten sein mußte, in seinen eigenen vier Wänden die Hauskatze sadomisierte und auch ansonsten keinerlei Moralkodex kannte.
Das letzte Orangerot war in der Dunkelheit aufgegangen, und die Musik hatte geendet. Einige holten sich sehr zu Simon Schweitzers Wohlwollen Nachschlag an der Salatbar. Laura legte Pop auf. Ein weiterer männlicher Gast erschien und entschuldigte sich bei Laura gestenreich für seine Verspätung, das sei sonst nicht seine Art. Als Geschenk hatte er einen schwarzen Fußhocker aus Nappaleder und Kirschholz überreicht, der ob seiner Eleganz sehr viel Anklang fand. Nach und nach hatten auch die beiden anderen Mädels
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