Simulacron-Drei
gegen den Schreibtisch. Es gelang mir, mich in den Sessel zu setzen, dann kippte mein Kopf nach vorn.
Ein paar Augenblicke später hatte ich mich wieder gefangen – ich war vielleicht unsicher und nervös, aber wenigstens im Besitz meiner Kräfte.
Dann wurde mir klar, daß ich meine Bewußtseinsstörungen nicht mehr ignorieren durfte. Sie traten jetzt weit häufiger auf als früher. Selbst die vier Wochen Nichtstun in den Bergen hatten keine Besserung eintreten lassen.
Trotzdem war ich entschlossen, mich nicht beirren zu lassen. Die TEAG war zu wichtig.
Nichts konnte mich davon überzeugen, daß Lynch tatsächlich nicht verschwunden war. Es konnte sein, daß außer mir bei der Party niemand seine Ankunft bemerkt hatte. Aber daß ich mir den ganzen Vorfall nur eingebildet hatte, war ein Eingeständnis, daß ich einfach nicht machen konnte.
Dies als erste Stufe vorausgesetzt, sah ich mich drei Problemen gegenüber: daß Lynch tatsächlich einfach verschwunden war; daß Fuller den Tod nicht durch einen Unfall gefunden hatte; daß es ein ›Geheimnis‹ gab, wie Lynch behauptete, das Fuller das Leben gekostet und zu Lynchs Verschwinden geführt hatte.
Wenn ich jedoch eine Bestätigung für diese Annahmen suchen wollte, mußte ich das auf eigene Faust tun. Die Reaktion der Kriminalpolizei war mehr als unfreundlich gewesen – bei einer derart grotesken Behauptung kein Wunder.
Aber erst am nächsten Vormittag zeigte sich mir klar, welchen Weg ich einschlagen mußte.
Das hing mit den Verständigungsmitteln zusammen, die Fuller und ich gewählt hatten. Außerdem war auch eine Bemerkung Lynchs dafür maßgebend.
Hannon Fuller und ich hatten es uns zur Gewohnheit gemacht, in regelmäßigen Abständen die Aufzeichnungen des anderen zu studieren, um unsere Arbeit zu koordinieren. Bei der Abfassung dieser Memoranda benützten wir rote Tinte, um anzumerken, was für den anderen besonders wichtig war.
Fuller hatte nach Lynchs Behauptung ihm etwas Geheimzuhaltendes anvertraut. Zwischen den Zeilen hatte ich aber heraushören können, daß ich unterrichtet worden wäre, wenn ich nur zur Verfügung gestanden hätte. Es war also durchaus möglich, daß Fuller bereits für die Weitergabe der entsprechenden Informationen gesorgt hatte – mit Hilfe rot unterstrichener Notizen.
Ich drückte die Taste der Wechselsprechanlage.
»Miss Boykins, sind Dr. Fullers Sachen abgeholt worden?«
»Nein, Sir, aber das wird in Kürze der Fall sein. Die Schreiber und Elektriker sollen heute noch in sein Büro kommen.«
Jetzt erinnerte ich mich: Man wollte den Raum für andere Zwecke umbauen.
»Sagen Sie den Leuten, daß sie bis morgen warten sollen.«
Als ich entdeckte, daß die Tür zu Fullers Büro offenstand, wunderte ich mich gar nicht, da wir sein Vorzimmer für die Aufbewahrung simulektronischer Geräte benützt hatten. Nachdem ich jedoch, auf dem dicken Teppich unhörbar, den Eingang zu seinem Zimmer erreicht hatte, blieb ich regungslos stehen. Am Schreibtisch saß eine Frau und blätterte in einem Stoß von Papieren. Daß sie gute Arbeit geleistet hatte, bewiesen die noch offenstehenden Schubladen und die neben der Löschunterlage aufgestapelten Habseligkeiten Fullers.
Ich schlich in das Zimmer, stahl mich hinter die Frau und versuchte, möglichst nah heranzukommen, ohne entdeckt zu werden.
Sie war jung – höchstens Anfang Zwanzig. Ihre vollen, schöngeschwungenen Lippen waren dezent geschminkt. Ihre braunen Augen, unverwandt auf die Unterlagen gerichtet, standen in starkem Kontrast zu kohlschwarzem Haar unter einem kleinen, frechen Hut.
Ich schlich langsam näher, wollte mich aber noch nicht verraten. Entweder war sie hier als Beauftragte eines der mit Rechenmaschinen arbeitenden Elektronik-Institute, die von der TEAG in den Hintergrund geschoben werden würden, oder es bestand irgendeine Bindung zu Fullers rätselhaftem ›Geheimnis‹.
Das Mädchen hatte die Aufzeichnungen fast alle durchgearbeitet. Ich sah sie die vorletzte Seite umblättern und sie auf den Stoß der erledigten Dokumente legen. Dann fiel mein Blick auf das letzte Blatt. Rote Tinte! Aber ich sah weder Worte, noch Formeln, noch Diagramme, nur eine einfache, sinnlose Zeichnung. Sie stellte einen Krieger dar – einen Griechen, nach Tunika, Schwert und Helm zu schließen – und eine Schildkröte. Nichts sonst. Wenn man davon absah, daß beide Figuren rot unterstrichen waren.
Ich muß hier erwähnen, daß Fuller, sobald er meine Aufmerksamkeit auf etwas
Weitere Kostenlose Bücher