Simulacron-Drei
Vielleicht finde ich, worauf es mir ankommt.«
Das war zumindest taktvoller, als ihr zu erklären, mir seien am Unfalltod ihres Vaters Zweifel gekommen.
Sie stellte eine Plastiktasche auf den Tisch und legte Fullers Habseligkeiten hinein.
»Du kannst jederzeit kommen.«
»Da ist noch etwas. Weißt du, ob Morton Lynch kürzlich bei deinem Vater gewesen ist?«
Sie runzelte die Stirn. »Wer?«
»Morton Lynch. Dein anderer ›Onkel‹.«
Sie sah mich unsicher an.
»Ich kenne keinen Morton Lynch.«
Ich verbarg meine Verwirrung hinter einer grimmigen Miene. Lynch war das Universalfaktotum der Universität gewesen. Er hatte sich Fuller und mir angeschlossen, als Dr. Fuller zurückgetreten war, um private Forschungen zu betreiben. Überdies hatte er mehr als ein Jahrzehnt bei den Fullers gewohnt und erst vor zwei Jahren ein Apartment in der Nähe des TEAG-Gebäudes bezogen.
»Du erinnerst dich nicht an Morton Lynch?«
Ich wußte genau, daß Lynch Puppenstuben für sie gebaut, ihr Spielzeug repariert und sie stundenlang auf seinen Schultern herumgetragen hatte.
»Ich habe nie von ihm gehört.«
Ich ließ es sein und blätterte in dem Stoß von Papieren. Als ich die Zeichnung mit dem griechischen Krieger sah, hielt ich einen Augenblick lang inne. Dann richtete ich mich auf.
»Jinx, kann ich dir irgendwie behilflich sein?«
Sie lächelte. Und mit dem Lächeln kehrte die ganze Herzlichkeit und Wärme ihrer fünfzehnjährigen Begeisterung zurück. Einen Moment lang tat es mir leid, daß sie nur als Halbwüchsige für mich geschwärmt hatte.
»Ich schaffe es schon«, versicherte sie. »Vater hat ein bißchen Geld hinterlassen. Außerdem bin ich berufstätig – auf dem Gebiet der Meinungsforschung.«
»Du willst Test-Interviewerin werden?«
»O nein. Ich beschäftige mich nur mit der Auswirkung.«
Ich fand es einigermaßen ironisch, daß sie vier Jahre lang für einen Beruf ausgebildet worden war, den die Arbeit ihres Vaters überflüssig machen würde.
Aber Mitgefühl war nicht angebracht. Ich spielte darauf an, als ich sagte: »Du fährst ja mit deinem Anteil an der TEAG recht gut.«
»Vaters zwanzig Prozent? Die kann ich nicht anrühren. Oh, sie gehören natürlich mir, aber Siskin hat den Vertrag entsprechend aufgesetzt. Er verwaltet das Vermögen. Die Aktien und Dividenden stehen mir erst zu, wenn ich dreißig Jahre alt bin.«
Man hatte sie ausgeschaltet. Und es bedurfte keiner allzu großen Phantasie, um sich den Grund klarzumachen. Fuller hatte nicht allein darauf bestanden, daß die Arbeit der TEAG wenigstens zum Teil den Forschungen zugute kommen sollte, mit deren Hilfe der menschliche Geist aus seinen Fesseln befreit werden konnte. Er hatte genügend Stimmen für sich gehabt, um bei jeder Aufsichtsratssitzung eine Abstimmung darüber erzwingen zu können.
Aber wenn Siskin auch noch Fullers zwanzigprozentigen Anteil vertrat, war kein Zweifel mehr daran möglich, daß eine idealistische profitlose Anwendung des Simulators ausschied.
»Tut mir leid, daß ich so unfreundlich gewesen bin, Doug, aber ich war gegen dich eingenommen. Nachdem ich die Berichte über Siskins Party gelesen hatte, konnte ich den Gedanken einfach nicht loswerden, daß du dich diebisch gefreut hast, Vaters Stelle antreten zu können. Ich hätte mir allerdings darüber im klaren sein müssen, daß das nicht stimmt.«
»Natürlich nicht. Außerdem laufen die Dinge nicht so, wie es sich Dr. Fuller vorgestellt hat. Mir paßt die ganze Richtung nicht. Ich glaube nicht, daß ich länger hiersein werde, als bis der Simulator endgültig eingesetzt werden kann. Das würde auch dein Vater verstehen.«
Sie lächelte freundlich, nahm die Tasche unter den Arm und deutete auf den Stapel von Papieren. Eine Ecke des Blattes der Tintenzeichnung schaute hervor, und ich hatte das Gefühl, daß mich der griechische Krieger höhnisch anstarrte.
»Du willst dir das sicher ansehen«, sagte sie auf dem Weg zur Tür. »Ich erwarte dich zu Hause.«
Nachdem sie gegangen war, kehrte ich hastig zum Schreibtisch zurück und griff nach der Zeichnung. Aber ich riß meine Hand sofort zurück. Der Krieger war nicht mehr zu sehen. Ich blätterte den Stoß hastig durch. Die Zeichnung war nicht zu finden.
Zuerst mit fliegenden Händen, dann mit erzwungener Ruhe ging ich noch einmal Blatt für Blatt durch. Ich suchte in den Schubladen, hob die Löschunterlage auf und kroch am Boden herum.
Aber die Zeichnung war verschwunden – als habe sie niemals
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