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Simulacron-Drei

Simulacron-Drei

Titel: Simulacron-Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel F. Galouye
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existiert.
     

3
    Mehrere Tage vergingen, bevor ich mich nachdrücklich mit dem Rätsel Lynch-Fuller und dem griechischen Krieger befassen konnte. Nicht, daß meine Besorgnis mich nicht schon vorher dazu gedrängt hätte. Ich hatte aber alle Hände voll zu tun, um den Umweltsimulator fertigzustellen, und seine Funktionen zu integrieren.
    Siskin schwang unablässig die Peitsche. Er wünschte, daß das System binnen drei Wochen voll funktionsfähig war, trotz der Tatsache, daß noch über tausend individuelle Reaktionsschaltkreise in die Maschine eingebaut werden mußten, um die Primär-›Bevölkerung‹ auf zehntausend zu erhöhen.
    Da unsere Simulation eines Gesellschaftssystems ein ganzes, vollständiges ›Gemeinwesen‹ umfassen mußte, waren Tausende von Matrizenschaltkreisen mit Einzelheiten des physischen Hintergrundes auszurüsten. Dazu gehörten Details wie Transportmittel, Schulen, Häuser, Gartenvereine, Haustiere, Verwaltungsorganisationen, Wirtschaftsunternehmen, Parks und alle anderen einer Metropole zugehörenden Einrichtungen. Selbstverständlich wurde das alles simulektronisch erreicht – durch Kennzeichnung von Magnetbändern, durch Anlegung von Vorspannung auf Matrizengittern und Speichertrommeln.
    Das Endergebnis war das elektromathematische Analogon einer durchschnittlichem Großstadt, nichtsahnend in ihre gefälschte Welt eingebettet.
    Zuerst konnte ich mir nicht vorstellen, daß in der kilometerlangen Verkabelung, in den zahllosen Energieumwandlern und Präzisionspotentiometern, den Tausenden und Abertausenden von Transistoren, Funktionengeneratoren und Datenerlangungssystemen – daß in all diesen Komponenten eine Großstadt ruhte, bereit, auf alle reaktionserregenden Reize zu antworten, die man in die Eingangsverteiler einprogrammieren mochte.
    Erst als ich mich in einen der Beobachtungsstromkreise eingeschaltet und den Ablauf selbst gesehen hatte, war ich endgültig überzeugt.
    Von der anstrengenden Arbeit des Tages erschöpft, legte ich die Beine auf den Schreibtisch und riß meine Gedanken von dem Simulator los. Es gab nur eine andere Richtung für sie – zurück zu Morton Lynch und Hannon J. Fuller, einem griechischen Krieger, einer kriechenden Schildkröte und einem ehemaligen elfenhaften Teenager namens Jinx, der scheinbar über Nacht zu einer sehr reizvollen, aber offenbar vergeßlichen jungen Frau geworden war.
    Ich beugte mich vor und drückte eine Taste der Wechselsprechanlage. Auf dem Fernsehschirm tauchte sofort das Bild eines weißhaarigen, rotgesichtigen Mannes auf, der mich erschöpft anblickte.
    »Avery«, sagte ich, »ich muß mit Ihnen reden.«
    »Um Himmels willen, nicht jetzt, mein Sohn. Ich bin völlig erledigt. Hat das nicht Zeit?«
    Avery Collingsworth – Dr. Collingsworth – genoß das Privileg, mich ›Sohn‹ nennen zu dürfen, obwohl er zu meinen Untergebenen gehörte. Ich hatte nichts dagegen einzuwenden, weil ich früher regelmäßig seine Vorlesungen über Psychoelektronik besucht hatte. Aus diesem Grund war er jetzt psychologischer Berater für die TEAG.
    »Mit der TEAG hat es nichts zu tun«, versicherte ich.
    »Dann steh’ ich Ihnen natürlich zu Diensten. Aber unter einer Bedingung. Wir treffen uns bei Limpy. Bei diesen Strapazen brauche ich« – er senkte die Stimme – »etwas zu rauchen.«
    »In einer Viertelstunde bei Limpy«, sagte ich
    Ich verstoße nicht gewohnheitsmäßig gegen die Gesetze. Was den Dreiunddreißigsten Verfassungszusatz angeht, so habe ich keine festen Grundsätze. Die Ansichten der Temperenzgruppen können Glaubhaftigkeit für sich beanspruchen. Jedenfalls war die Meinung, Nikotin sei der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Moral der Nation nicht zuträglich, nicht ohne statistische Grundlage.
    Aber ich glaube nicht, daß der Dreiunddreißigste Verfassungszusatz bleiben wird. Er ist so unpopulär wie vor über einem Jahrhundert der Achtzehnte. Ich seh’ nicht ein, warum man nicht gelegentlich rauchen soll – wenn man darauf verzichtet, den Rauch ins Gesicht unserer ›Rettet-die-Lungen‹-Fanatiker zu blasen.
    Bei der Vereinbarung mit Collingsworth, in fünfzehn Minuten in einer Rauchkneipe zusammenzutreffen, hatte ich jedoch nicht die ATI berücksichtigt. Mit den Demonstranten vor dem Gebäude gab es zwar keine Schwierigkeiten. Sie sparten zwar nicht mit lautstarken Anschuldigungen, als ich hinaustrat, und ich mußte mir sogar einige Drohungen anhören, aber Siskin hatte seinen Einfluß geltend gemacht, um Tag und

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