sind immer dagegen
zu machen.“
„Ach“, sagte Hanni, die plötzlich begriff. „Deshalb also gibt Suse immer so an und tut so, als ob sie was Besseres wäre. In Wirklichkeit hat sie Angst, dass wir uns über sie lustig machen und sie nicht für voll nehmen könnten, weil sie aus kleinen Verhältnissen stammt.“
„Ja“, bestätigte Winifred. „Ihre dumme Überheblichkeit ist nur eine Art Schutzwall, hinter dem sich ein einfaches und ziemlich verschüchtertes Mädchen verschanzt. Und nun hat Jenny diesen Panzer heruntergerissen und alles bloßgelegt, was Suse immer zu verbergen suchte – die Manieren und die Sprache, die sie lernte, als sie noch sehr klein war.“
„Auch wenn ich es ein bisschen verstehen kann, klug war es nicht von der Suse, sich so zu verstellen“, erwiderte Hanni. „Wenn sie uns nur all das erzählt hätte, hätten wir sie sicher als offenes und aufrichtiges Mädchen geschätzt. Aber diese blöde Angeberei und Heuchelei war wirklich unerträglich.“
„Wenn Leute merken, dass sie nicht so klug oder so gebildet oder so guter Herkunft sind wie ihre Mitmenschen, dann benehmen sie sich oft in dieser Weise, um ihre Unsicherheit zu verbergen“, erklärte ihr Winifred. „Versuche Suse zu begreifen und ihr zu helfen!“
„Das will ich wohl“, meinte Hanni. „Nur weiß ich nicht, wie!“
„Ich werde selbst mit ihr sprechen“, sagte Winifred und stand auf. „Ich möchte aber, dass ihr, du und auch Nanni, in den nächsten Wochen ganz besonders nett zu ihr seid und euch in keiner Weise über sie lustig macht. Gebt ihr die Möglichkeit zu zeigen, was in ihr steckt.“
„Das wollen wir gerne tun. Du kannst auf uns zählen, Winifred. Jetzt muss ich aber zurück zum Unterricht.“
Was Winifred mit Suse besprach, erfuhren die Zwillinge nie. Die Vertrauensschülerin war klug und feinfühlig und sie begegnete dem eingeschüchterten und bekümmerten Mädchen mit Verständnis und Güte.
Suse kam an diesem Abend blass und nervös in den Gemeinschaftsraum. Sie wagte niemandem in die Augen zu schauen. Aber Hanni kam ihr sofort zu Hilfe. Sie streckte ihr das Strickzeug entgegen, an dem sie gerade arbeitete, und rief: „Suse, du kommst wie gerufen. Bitte schau doch mal nach, wo ich einen Fehler gemacht habe. Du kannst so gut nach Mustern stricken, während ich mich dauernd vertue. Habe ich mich hier geirrt – oder hier?“
Suse ging erleichtert zu Hanni und half ihr. Kaum war sie fertig, rief Nanni schon: „He, Suse, willst du mir deine Wasserfarben leihen? Ich finde meine nicht.“
„Ja, natürlich“, sagte Suse und holte ihren Malkasten. Als sie aus dem Zimmer war, schaute Jenny auf.
„Wieso tut ihr plötzlich so freundlich mit unserer hochmütigen Suse?“, fragte sie.
„Um deine verletzenden Worte vom letzten Mal wieder ein wenig gut zu machen“, erwiderte Hanni. „Du hast sie an ihrer wundesten Stelle getroffen. Sei jetzt nicht kleinlich.“
„Das Ganze tut mir wirklich leid“, meinte Jenny kleinlaut. „Aber entschuldigen werde ich mich trotzdem nicht! Das regt sie nämlich nur noch mal auf. Dafür werde ich ihr zeigen, dass ich nicht richtig gehandelt habe.“
„Das ist sowieso viel besser“, meinte Nanni. „Achtung, sie kommt!“
Suse kam mit den Farben ins Zimmer. Nanni bedankte sich und sagte: „Das ist aber ein hübscher Malkasten.“ Früher hätte Suse sofort gesagt, was er gekostet hatte und sich schrecklich wichtig damit gemacht. Aber heute schwieg sie. Jenny sah sie an und merkte, dass sie noch immer blass war. Obwohl Jenny eine scharfe Zunge und ein hitziges Temperament hatte, war sie gutherzig. Sie nahm eine Tüte Bonbons aus ihrer Tasche und reichte sie herum. Suse rechnete damit, dass Jenny sie überging, und schaute weg. Jedoch: „Suse, ein Bonbon?“, fragte Jenny mit ihrer klaren, freundlichen Stimme. Suse zögerte. Sie war noch immer beleidigt. Aber Jennys braune Augen sahen sanft und freundlich aus und Suse merkte: Sie wollte Frieden schließen. Also schluckte sie ihren Ärger hinunter und nahm ein Bonbon.
„Danke, Jenny“, sagte sie und ihre Stimme zitterte leicht.
Dann begannen die Mädchen über die geplante Weihnachtsaufführung zu sprechen. Suse vergaß den Streit, lutschte an ihrem Bonbon und wurde zusehends fröhlicher.
Als sie im Bett lag, dachte sie noch einmal über alles nach. Sie hätte nicht so angeben sollen, das verstand sie. Aber sie hatte es doch nur getan, um mit den anderen Schritt zu halten. Um denen zu imponieren und ihre Schwachstellen zu
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