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Sind wir bald da

Sind wir bald da

Titel: Sind wir bald da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Haipl
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ersten Blick... na ja... halt auch da: Ein tadelloser Gewerbepark begrüßt den Besucher. Wenn man also gerne viereinhalb Stunden auf der Autobahn fährt, um zu überprüfen, ob die in Kärnten auch so Supermärkte haben wie Hofer mit Sportzubehörabteilung und Fastfood, ist man hier nicht ganz falsch. St. Jakob bei St. Andrä hat nicht einmal ein eigenes Ortsschild, und selbst die Einwohner von St. Andrä meinen, auf St. Jakob angesprochen, nur, dass sie das »schon mal gehört« haben, »Wie heißt das noch mal?«, »Hä?«, » Waaas ?«, und sagen einem dann, das sei zwölf Kilometer von hier. Dass es dann doch nur sechs Kilometer sind, spricht nicht gerade dafür, dass zwischen den Gemeinden ein reger Informationsaustausch herrscht. Dafür gibt es aber etliche Schilder, die auf die Koralpe hinweisen. Die kenne ich vom Hörensagen. Genau wie die Gemeinde Hard in Vorarlberg. Ich stelle mir vor, wie schön ein Zusammenschluss über Bundesländergrenzen hinweg wäre — Hardkoralpe . Toll. Da gäbe es dann endgültig keine Sünd ’ auf der Alm mehr. Zumal — während wir auf der Suche nach einer Art Ortskern in St. Jakob bei St. Andrä noch immer nichts Erwähnenswertes finden können, weist uns ein weiteres Schild auf die Saualpe hin. Saualpe und Hardkoralpe , da könnte die Post abgehen. Nicht so in St. Jakob bei St. Andrä . Hier herrschen Einöde und Gewerbepark.
    Am Horizont erkennen wir Schloss Wolfsberg, ein Renaissancebau, der bis ins elfte Jahrhundert zurückreicht. Wow, das könnte was hergeben. Wir folgen den Richtungsweisern, fahren im ersten Gang den steilen, engen Weg zum Schloss hinauf, bis uns ein Schild darüber aufklärt, dass das Schloss sowieso nicht zu besichtigen ist. Okay, das ist jetzt blöd. Zumal man vor rund tausend Jahren beim Bau des Schlosses nicht an die Möglichkeit gedacht hat, dass hier irgendwann ein japanischer Zweisitzer umdrehen wollen würde. Also rollen wir demütig im Leerlauf rückwärts den Berg hinunter und freuen uns, dass es keinen Gegenverkehr gibt. Der reiht sich nämlich gerade weiter unten im Gewerbepark ein. Habe ich schon erwähnt, dass es hier einen Gewerbepark gibt?
    Laut Bevölkerungsverteilung aus dem Jahr 2001 zählt St. Jakob bei St. Andrä zwar zu den »Ortschaften über 50 Einwohner«, aber nicht zu den »Ortschaften über 100 Einwohner«. Diese unscheinbare, aber nicht unwesentliche Information hilft möglicherweise, den vorangegangenen Zeilen etwas die Schärfe und den Zynismus zu nehmen. Gegebenenfalls entschuldige ich mich bei Gelegenheit bei jedem der fünfzig bis hundert Einwohner von St. Jakob bei St. Andrä persönlich. Öffentlich! Der Residenz Verlag wird das sicherlich gerne einrichten, und mir wäre es eine liebe Pflicht.
    Wir sind aber nicht zum Spaß hier. Also wieder rauf auf die Autobahn und ab nach St. Jakob im Rosental . Das mit Südtirol wird sich heute wohl doch nicht mehr ausgehen.
    Wir sind langsam genervt, weil wir den ganzen Tag nichts gegessen haben und von einem St. Jakob zum nächsten brausen. Sehr unpassend für Pilger, wenig bedächtig und nicht einmal zu Fuß. Außerdem ist es brütend heiß. Autobahn fahren macht an sich schon wenig Spaß und erst recht nicht in einem Auto, das eigentlich per Zulassungsschein als Gokart deklariert werden sollte. Und zudem ist Kärnten das Epizentrum germanischer Tourismuskultur. Halleluja. Wenn man in ein paar Tausend Jahren um den Wörthersee Ausgrabungen machen wird, wird man unsere Epoche »Piefkekultur« nennen. Analog zur »Neandertaler-Kultur«. Sicher interessant, wenn man gerne in Museen geht und sich daran freut, wie viel schlechter es die Menschen früher gehabt haben, aber nicht, wenn man in der Gegenwart lebt und einer von denen ist, die es schlechter haben, weil man persönlich betroffen ist.
    Wie soll man sagen? Der permanente Belagerungszustand durch deutsche und osteuropäische Touristen kombiniert mit den unverhältnismäßig hohen, aus diesem Belagerungszustand direkt resultierenden Einkünften hat zu einer gewissen Verrohung des sonst liebenswerten Charakters der einheimischen Bevölkerung geführt. So gewinnt man den Eindruck, dass es den Menschen hier lieber wäre, wenn man sein Geld da lässt, persönlich aber auf der Stelle das Weite sucht. Macht ja nichts, wir wollen uns nur das wunderbare St. Jakob im Rosental anschauen und fahren dann gleich weiter. Wir werden niemanden stören. Kein Wirt muss wegen uns ein Zimmer herrichten, kein Kellner wegen uns seine müden Beine

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