Sind wir bald da
strapazieren. Und die Furt, in der die Einheimischen baden, lassen wir euch auch. Wir überweisen euch am besten das Geld, das wir sonst hier ausgegeben hätten, und verstecken uns daheim in Wien mit unseren Freunden vom Balkan im Keller. Ist das in Ordnung für euch? Fein, dann machen wir das so. Eine Frage noch: Die Kirche da, liegt etwas erhöht auf einem Hügel und sieht sehr hübsch aus, dürften wir da kurz rauf?
Auf dem Weg dorthin glaube ich ein Denkmal zum Kärntner Abwehrkampf zu sehen — das gehört wahrscheinlich zum Standard-Inventar Kärntner Gemeinden. Eh okay. In Wien nennt man Kinder und Häuser nach Viktor Adler und Karl Marx. Same difference .
Zum Vergleich: Die Volksabstimmung am 10. Oktober 1920 brachte in St. Jakob eine Mehrheit für den Anschluss an das Königreich Jugoslawien. Am 12. November 1918 beschloss die Nationalversammlung in Wien den Anschluss an die Deutsche Republik. Die Vorarlberger Bevölkerung hatte sich per Volksabstimmung vom 15. Mai 1919 mit rund 80 % der Stimmen für den Beitritt zur Schweiz ausgesprochen. Ersteres verhinderte die Wahlarithmetik, Zweiteres die alliierten Siegermächte und Letzteres die Schweiz.
Oft kommt es eben anders.
Die Kirche ist sehr hübsch, zumindest von außen, leider ist sie abgesperrt. Ebenso die öffentliche Toilette (da kann man sich ein Beispiel an St. Jakob in Breitenau nehmen). Ich sehe mich genötigt, in die Büsche neben dem Gottesacker zu pinkeln. Wenn mich da bloß keiner sieht! Mehr braucht man in dieser Gegend nicht: rotes Cabrio, Wiener Kennzeichen, Gymnasiasten-Deutsch, neigungsschwules Gehabe und dann noch neben der Kirche pinkeln. Da zerschellt einem schnell ein Bierkrug am Haupt, bevor das Kinn rapide auf eine Faust zu rennt. Von der Wirkung nicht anders als Bruck an der Mur, nur direkter.
Mir fällt auf, dass hier neben vielem anderen sogar das Pfarramt auf Slowenisch angeschrieben ist. Ist zwar keine Ortstafel, aber auch nicht unwichtig. Man weiß freilich nicht, ob deswegen mehr Menschen in die Messe kommen. 16,4 % der Bevölkerung gehören der slowenischsprachigen Volksgruppe an. Bei der Volkszählung 1910 gaben noch 90 % der St. Jakober an, ihre Umgangssprache sei Slowenisch. Wie gesagt, alles relativ. Fragen Sie mal in Wien, wie viel Prozent Deutsch als Umgangssprache verwenden und wie viele das 1910 taten. Sprache ist ja etwas Lebendiges. Am Friedhof liegen deutsche und slowenische Kärntner friedlich nebeneinander, zumindest merkt man an der Oberfläche nichts.
Man kann übrigens für die neue Kirchenorgel Patenschaften für Orgelpfeifen übernehmen. Selbstverständlich auf Deutsch und Slowenisch. Wer sich also klingend verewigen will, sollte das in Betracht ziehen.
Ach ja — von der Website von St. Jakob im Rosental :
Es sind die einfachen Dinge, die hier zählen: Die unberührte Landschaft mit sauberen Wäldern und Almen, glasklare Bäche, im Wind wogende Felder, der Blumenschmuck an den Häusern und die Gastfreundschaft der Bevölkerung. Viele gut markierte Wanderwege lassen Sie den Alltag vergessen und mit jedem Schritt Neues entdecken. Für Radfreunde gibt es einen 364 Kilometer langen Drau-Radweg durch verträumte Aulandschaften . Brauchtum hautnah erleben Sie bei diversen zahlreichen Kulturveranstaltungen und am Wochenmarkt. Und die sprichwörtliche Kärntner Gastfreundschaft finden Sie in unseren gemütlichen Gastronomie- und Beherbergungsbetrieben.
Das stimmt ganz sicher, und niemals würde ich auch nur einen Punkt davon in Abrede stellen. Unterkunft haben wir dann aber doch im Nachbarort St. Egyden gefunden. Und dort sitze ich jetzt, während ich versuche, meine Gedanken zu ordnen.
Die vier Wiener Kretins sind mittlerweile weg. Offenbar sind sie müde geworden. Die ausgesprochen nette (und holländische) Wirtsfamilie hat die Wahnsinnigen in allen Varianten und jedenfalls ausreichend mit Bier und Pommes versorgt, und dann sind sie abgezogen. Keine Ahnung, wo sie jetzt ihr Unwesen treiben, ist mir aber auch egal. Sogar der archetypische Piefke in Birkenstock und Socken ist vergleichsweise ruhig. Heißt, er schreit relativ ruhig — nicht mehr ins Telefon, sondern seinem Gegenüber, Modell »netter, junger Piefke«, ins Gesicht. Thema ist noch immer Fußball, aber damit kann ich leben, ich bin großzügig. Alles in allem, es ist wieder schön hier. Wirklich. Es geschehen Zeichen und Wunder. Danke, lieber Jakob.
Samstag, is. Juli
Ich hätte mich nicht zu früh freuen sollen. Der deutsche Schreiaffe hat
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