Sind wir bald da
zu später Stunde, als wir eigentlich schon schlafen wollten, ein paar Artgenossen ausgemacht, und darauf haben sie dann beschlossen, zu viert weiter über Fußball zu debattieren. Sagen wir »debattieren« und einigen wir uns darauf, dass ich »schreien«, »grölen«, » kra-keelen « usw. meine. Günstigerweise genau vor unserer Zimmertür. Herr, was muss man noch alles tun, um Absolution zu erlangen? Ich habe so verzweifelt mit den Augen gerollt, dass Verena nach einer Viertelstunde unfreiwilliger Belehrung über die deutsche Bundesliga gemeint hat, sie gehe jetzt vor die Tür und bitte um Ruhe. Das war mir dann aber doch zu peinlich: Als Mann vom Lärm der Nachbarn genervt sein und dann die jüngere und ganz offensichtlich schwächere Frau zum Beschweren schicken. Also habe ich geantwortet, ich werde die vier Schrumpfgermanen (© Mundl ) selbst fragen, ob ihnen vielleicht jemand ins Hirn geschissen hat. Geklungen hat das dann so: »Gentlemen, ich habe jetzt eine Menge über Fußball gelernt. Danke vielmals, aber könnt ihr vielleicht woanders weitermachen ?« Die haben das anstandslos akzeptiert, bevor sie dann tatsächlich woanders weitergemacht haben. Respekt. So rücksichtslos ihr bisheriges Verhalten war, so unkompliziert und schnell hat sich die Situation letztlich verbessern lassen. »Durchs Reden kommen die Leute zusammen«, sagt man ja. Und wie so off hat der Volksmund auch hier recht.
Ich habe dank Ohropax hervorragend genächtigt, Verena dank keinem Ohropax nicht. Beim Frühstück treffe ich auf meine vier Lieblingswiener. Verena meint, dass es möglicherweise gar keine Wiener sind, sondern Oberösterreicher, das halte ich aber für unwahrscheinlich. Fakt ist, die Deppen haben sich gestern Nacht so verausgabt, dass sie sich jetzt tatsächlich so ähnlich benehmen wie Menschen. Selbst das DJ-Ötzi- Lookalike schafft es, ohne Gegröle und Gegrunze eine Semmel samt Butter UND Marmelade vom Buffet zu holen. Na also, es gibt ihn, den Fortschritt.
Draußen regnet es in Strömen. Keine guten Rahmenbedingungen, um jetzt nach Südtirol weiterzufahren oder gar nach Italien. Nein, da bleiben wir lieber in der Gegend.
St. Jakob im Lesachtal wäre der nächste Kandidat. Laut Straßenplan wäre das eine recht beschauliche Strecke von einer bis anderthalb Stunden Fahrt über bezaubernde Landstraßen, romantische Anhöhen, durch sportliche Kurven usw. Kurz, Roadster fahren, wie es sich gehört. Folgerichtig lotst mich das Navi direttissima auf die Autobahn. Scheiße, da wollte ich jetzt ganz bestimmt nicht hin. Nach ein paar Hundert Metern — die Autobahn teilt sich in Richtung Villach und Richtung Klagenfurt — schweigt das Navi trotzig. Ich entscheide mich spontan für rechts, Richtung Klagenfurt. In der Sekunde, in der ich definitiv und absolut nichts mehr an dieser Entscheidung ändern kann, bellt das Navi: »Umdrehen! Auf der Stelle! Jetzt! Umdrehen! Das sage ich den Eltern !« Danke, du Trottelgerät. Es gießt aus Schaffein, wir sitzen in einem Spielzeugauto mit Fetzendach zirka zehn Zentimeter über dem Asphalt und fahren durch eine Gischt im Blindflug in die falsche Richtung. Was wir hier gerade machen, ist so, als würde man versuchen, mit Rollschuhen durch die Niagarafälle zu fahren. Das greift aber zu kurz. In den Niagarafällen schneiden einen nicht pausenlos Idioten, die den Sinn und Zweck von Blinkern noch nicht begriffen haben.
Nach einer halben Stunde (ich bin von der Autobahn abgefahren und (diesmal Richtung Villach) wieder aufgefahren) (warum, weiß ich nicht mehr, eigentlich wollte ich doch Landstraße fahren) lässt der Regen nach. Irgendwann hört er ganz auf und die Autobahn auch. Wir fahren also ohne Waschstraßen-Feeling endlich Landstraße, Richtung St. Jakob im Lesachtal .
Vorher biege ich aber noch ab Richtung Gailtail , Windische Höhe. Dort gibt es eine Pension, die ich schon kenne und die halb schwedisch, halb kärntnerisch geführt wird. Spitzenklasse! Aber ich darf nicht bleiben, ich muss ja nach St. Jakob weiter. Wollte nur nachsehen, ob das Haus noch steht und so aussieht, wie ich es in Erinnerung habe. Tut es, beides.
Außerdem wollte ich dann noch wissen, ob es die Pension in Hermagor noch gibt, in der ich schon einmal eine Woche lang genächtigt habe. Gibt es auch noch immer. Sieht wunderbar aus, ist herrlich ruhig und komplett ausgebucht.
Aha. Einen habe ich noch: Waldemar, der Wirt hoch oben auf dem Berg bei Hermagor. Ich fahre vorsichtig da hinauf und achte dabei
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