Sind wir bald da
bewusst darauf, mit dem Auto nicht zu weit rechts zu fahren, weil ich ungern abstürzen würde. Waldemar hat nicht nur ein Gasthaus mit sechs Zimmern, sondern einen Bauernhof mit sehr vielen Tieren (Schweine, Rinder, Hasen, Vögel, Mäuse, angeblich auch Schildkröten usw.). Am Nebentisch diskutieren zwei ältere Damen mit Hingabe, ob ein »strammer Max« jetzt ein Zugeständnis an deutsche Touristen ist oder nicht, und bestellen dann doch ein großes Glas Wasser. Ich entscheide mich für die Schoko-Nuss-Palatschinke, die mir fortan angenehm schwer im Magen liegt, und wir beschließen, heute ausnahmsweise hier zu schlafen — obwohl es hier nicht St. Jakob heißt. Andererseits, es liegt am Weg, ist also quasi auch eine Pilgerstätte. Und vor allem: Nachdem wir in den letzten zwei Tagen auf die Spuren von Kaiser Karl und den Stoakoglern gestoßen sind, findet die Serie in Hermagor eine würdige Fortsetzung: Hermagor ist der Heimatort niemandes Geringerem als Armin Assinger! Armin Assinger, der gelernte Gendarm und ehemalige Spitzenschirennläufer (vier gewonnene Weltcup-Rennen, zahllose TV- Kokommentare bei Schirennen und ungezählte Menschen, die er als Moderator bei der Millionenshow reich und glücklich gemacht hat).
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Kaiser Karl, die Stoakogler und Armin Assinger. Drei große Erscheinungen, verbunden durch den Weg nach St. Jakob. Ich möchte an dieser Stelle festhalten: Es gibt keine Zufälle. Es ist genau die Art von Spiritualität, von der man überall liest, von der alle Pilger in der einen oder anderen Form erzählen (blättern Sie ruhig nach, bei Shirley MacLaine, bei Hape Kerkeling, dem zuständigen Jakobsführer Ihrer Diözese oder wo immer Sie wollen). Aber man glaubt es nicht, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Ich glaube es jetzt. Danke, Kaiser Karl (er hat sicher auch einen Nachnamen, der wird aber oft weggelassen). Danke, liebe Stoanis (wie die Freunde der Erfolgsband sagen). Danke, lieber Armin (wie Freunde des Erfolgsmoderators sagen — einfach Armin, ohne Nachnamen).
Alles in allem: Grund genug, hier zu nächtigen.
Davor haben wir aber noch eine Mission zu erfüllen: St. Jakob im Lesachtal .
Der Regen hat sich endgültig verabschiedet, und die Reise gestaltet sich so angenehm, wie sich das gehört: offenes Verdeck, Sonnenschein, blonde Freundin am Beifahrersitz, kurvige Bergstraßen, und aus dem Autoradio tönt »Coco Jumbo« von Mr. President .
Wie bitte ? »Coco Jumbo«? Mr. President? Großer Gott, das war wieder notwendig. Aber egal, wir haben ja Sinn für skurrilen Humor, und nach knapp einer Stunde durchwegs netter Gegend sind wir in St. Jakob im Lesachtal .
In St. Jakob im Lesachtal muss man aufpassen, dass man kein allzu langes Auto benutzt, sonst ist man gleich wieder aus dem Ort draußen. Genau genommen besteht der Ort aus einer Kirche, einem Feuerwehrhaus (das von außen kleiner aussieht als ein übliches Feuerwehrauto — das ist durchaus logisch, weil das örtliche Feuerwehrauto wahrscheinlich kleiner ist als ein übliches Feuerwehrauto), einem Wirten (der wie so viele in dieser Gegend darauf hinweist, dass Radfahrer und Motorradfahrer willkommen sind (wie Hunde) — vielleicht bekommen sie auch eine Schüssel Wasser?), zwei, drei Häusern und einem Postamt. Ich bin begeistert. Die Faymannschen Postamtsschließungen können also doch nicht so radikal gewesen sein. Wenn ein Ort von der Größe eines besseren Fußballfeldes ein eigenes Postamt hat, kann es nicht so schlimm stehen im Staate Österreich.
Danach fahren wir zurück zu Waldemar.
Sonntag, 19. Juli
Es ist bei Waldemar schlicht und ergreifend so schön, dass wir nicht weiterziehen wollen. Demütig (was nicht nötig gewesen wäre) fragen wir, ob wir nicht noch eine weitere Nacht in dieser wunderbaren Umgebung verbringen dürfen. Wir dürfen. Aus irgendeinem Grund ist ein Zimmer nicht besetzt, das rein reservierungstechnisch besetzt sein sollte, und so können wir bleiben. Auch an dieser Stelle: Danke, lieber Jakob.
Es gibt hier Hochlandrinder, die Stirnfransen haben, und ich frage mich, warum Rinder im Speziellen und Tiere im Allgemeinen keinen Haarausfall haben. Halten sie sich für etwas Besseres? Ist (männlicher) Haarausfall ein evolutionärer Vorteil im Kampf um Weibchen? Und wenn ja, warum lässt sich dann Silvio Berlusconi Haare verpflanzen? Der Mann hat alles, Geld, Macht, Medien, einen eigenen, international anerkannten Staat, der Italien heißt. Ihm fallen die
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