Sine Culpa
Verstehen Sie, er hat nichts ausgefressen, aber ich muss ihn unbedingt sprechen. Er könnte uns bei einer Mordermittlung eine große Hilfe sein.«
Charlie starrte ihn noch verwirrter an als zuvor.
»Tja also, ich weiß nicht.«
»Ich bin sicher, die Brüder würden von Ihnen erwarten, dass Sie mit der Polizei zusammenarbeiten, wenn wir versuchen, jemandem zu helfen. Und wie schon gesagt, Father Peter hat nichts ausgefressen.«
Charlie starrte ihn an und nickte, ehe er den Mund öffnete, und Fenwick entspannte sich etwas.
»Es ist kein besonders gutes Bild, aber ich bin ziemlich sicher, dass es Father Peter ist. Alles in Ordnung mit ihm?«
»Soweit ich weiß, ja. Warum auch nicht?«
»Er ist so engagiert«, entgegnete Charlie. »Er arbeitet rund um die Uhr, manchmal in ziemlich harten Gegenden. Ganz egal, wie früh oder spät, er ist dauernd da draußen unterwegs.«
»Und warum ist dann die Tür abgeschlossen?«
»Sie meinen hier? Aus Sicherheitsgründen, leider. Das ist nur eins von den Obdachlosenasylen, die wir führen, und wir haben nicht das Personal, um es den ganzen Tag offen zu halten. Einige andere sind rund um die Uhr geöffnet. Da wird Father Peter im Augenblick sein, in einem der anderen, aber ich kann Ihnen nicht sagen, in welchem. Ich weiß nur, dass er gegen acht hier sein wird, um nach dem Rechten zu sehen, und dann geht er zu St. Olaf’s, das ist seine wahre Leidenschaft. Das ist eine Anlaufstelle für Jugendliche, die von zu Hause ausgerissen sind. Peter hat die Einrichtung praktisch ins Leben gerufen und macht sich bei den Kirchenverbänden noch immer unheimlich für sie stark. Inzwischen haben die dort fast vierzig Plätze. Sie päppeln sie auf und versuchen sie, falls nötig, zu einer Therapie zu überreden. Das Haus ist in der Nähe von King’s Cross. Könnte sein, dass er da ist. Möchten Sie die Adresse?«
»Bitte.«
Charlie schrieb sie auf und gab sie ihm. Ehe er die Tür wieder schloss, streckte er ihm eine Sammelbüchse entgegen.
»Wie wär’s mit einer kleinen Spende, Chief Inspector, wo Sie schon mal hier sind?«
Fenwick gab ihm zehn Pfund und verfluchte die Tatsache, dass er sich nicht tugendhaft fühlte, sondern schuldig. Das war immer so.
37
Die Nachricht von Sarah Hills Verhaftung verbreitete sich in Harlden wie ein Lauffeuer. Binnen weniger Stunden war es das beherrschende Gesprächsthema in Geschäften, Pubs und Wohnzimmern. Die Meinungen gingen auseinander: Die einen waren froh, dass sie endlich weggesperrt wurde, die anderen bedauerten, dass sie mit ihrer Messerattacke gescheitert war.
Bei all dieser Aufregung konnte Major Maidment unbemerkt das Krankenhaus verlassen und nach Hause zurückkehren. Als er vor dem Haus ankam, sah er sogleich, dass Margaret Pennysmith nicht übertrieben hatte. Das Fenster im Erdgeschoss war mit Brettern vernagelt, seine Blumenbeete waren verwüstet worden, und die Überreste von Graffiti verunzierten die Mauern. Drinnen war offensichtlich irgendetwas Übelriechendes durch den Briefkastenschlitz geworfen worden, und irgendwer hatte die Stelle mit Desinfektionsmittel gereinigt. Beide Gerüche hingen noch in der kleinen Diele. Er hatte bewusst niemandem gesagt, dass er wieder nach Hause kam. Der Kühlschrank war leer, aber ein Zettel auf dem Tisch teilte ihm mit, dass Essen zum Aufwärmen im Tiefkühlfach zu finden war.
»Danke, Margaret«, sagte er ehrlich gerührt, dann ging er nach oben und nahm ein heißes Bad.
Während er in der Wanne lag, dachte er darüber nach, was er tun musste. Obwohl er sicher war, dass die Konfrontation nicht in einen körperlichen Kampf ausarten würde, wäre ihm lieber gewesen, wenn er sich etwas besser in Form gefühlt hätte, ehe er die Fahrt antrat. Er beschloss, anzurufen und für den nächsten Tag ein Treffen zu vereinbaren.
Auf seinem Anrufbeantworter waren zehn Anrufe. Die ersten drei waren Beschimpfungen, aber der vierte war von einem gewissen Jason MacDonald, der um Rückruf bat, weil er »einige wichtige Informationen« habe, die er mit ihm besprechen wolle. Er hatte noch nie von dem Mann gehört, also löschte er die Nachricht. Die Anrufe fünf bis acht waren ebenfalls Hasstiraden; neun und zehn waren wieder von MacDonald. Diesmal stellte er sich als Reporter des Enquirer vor, und dank seines hervorragenden Gedächtnisses konnte Maidment sich erinnern, den Namen unter den Schlagzeilen des Enquirer am Tag seiner Haftentlassung gelesen zu haben. Er hatte keineswegs den Wunsch, mit dem Mann zu
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