Sine Culpa
nicht, wie er heißt, und er war erst einmal da, seit wir das Haus beobachten. Kennen Sie ihn? Anscheinend gibt es einen Jungen, der nur ihm zu Diensten ist und den kein anderer Freier anrühren darf.«
Fenwick studierte das Bild gründlich. Es zeigte einen etwa siebzigjährigen Mann, schlank, klein, mit schütterem Haar und Schnurrbart, der das Haus offensichtlich wutschnaubend verließ. Er kannte ihn nicht und bat Firth, eine Kopie nach Harlden zu schicken, wo das Bild mit der langen Liste von Zeugen verglichen werden könnte.
»Wissen Sie, welcher Junge nur für ihn reserviert wird?«
»Der kleine Kerl hier.«
Firth zeigte ihm das Foto eines Jungen, der aus einem Fenster im vierten Stock des Hotels schaute.
»Das ist eine Vergrößerung. Seit wir das Hotel beobachten, ist er in dem Zimmer, und allmählich machen wir uns Sorgen um seine Gesundheit. Unser Mann sagt, dass der Junge heute Morgen versucht hat zu fliehen. Ist über ein Tor auf der Rückseite geklettert, aber sie haben ihn wieder eingefangen. Wir wissen nicht, wie er heißt.«
»Ich aber. Das ist Sam Bowyer aus Cowfold in West Sussex, und er ist erst elf. Ist vor zwei Monaten von zu Hause weggelaufen. Hier.« Fenwick öffnete seine Aktentasche und reichte Firth Sams dünne Akte. »Wieso haben Sie den Laden noch nicht hochgenommen?«
»Je länger wir die Überwachung beibehalten, desto mehr von diesen Schweinen können wir fotografieren und desto mehr Informationen kann unser Mann drinnen sammeln. Wenn wir zu früh reingehen, haben wir am Ende vielleicht nicht genügend Beweise.«
»Und in der Zwischenzeit werden diese Jungs darin weiter missbraucht.« Fenwick bemühte sich um einen neutralen Tonfall, aber etwas von seinen Emotionen schwang in seinen Worten mit, und Firth wurde rot.
»Meinen Sie, das wüsste ich nicht, Sir?«
»Wer entscheidet, wann der Zugriff erfolgt?«
»Mein Chef, der Leiter des Sittendezernats und die Staatsanwaltschaft. Die haben heute Abend eine Besprechung. Ich werde ihnen meine Bedenken darlegen – mal wieder –, aber ich glaube nicht, dass sie ihre Haltung ändern, und die lautet: abwarten und so viele Beweise wie möglich sammeln.«
»Die dürfen nicht länger warten. Wir ermitteln gegen einen Pädophilenring, durch den schon zwei Jungen zu Tode gekommen sind, vielleicht auch mehr. Und er hier könnte der Nächste sein.« Fenwick nahm Sams Bild in die Hand, und Zorn und Sorge spiegelten sich auf seinem Gesicht.
Firth blickte ihn befremdet an, doch Fenwick sagte nichts weiter, um die Heftigkeit seiner Reaktion zu erklären. Wie sollte er einem Fremden begreiflich machen, dass Sam dem jungen Paul Hill so ähnlich sah, dass er von Anfang an ein ungutes Vorgefühl gehabt hatte, als er sein Bild das erste Mal in dem Stapel mit Vermisstenfotos sah?
»Ich werde mein Bestes tun, aber es wäre hilfreich, wenn Sie mir Einzelheiten zu den anderen Fällen liefern würden.«
»Rufen Sie diese Nummer an, fragen Sie nach Alison Reynolds. Von ihr erfahren Sie alles, was Sie wissen müssen. Und schicken Sie ihr auch Kopien der Überwachungsfotos. Sie steckt knietief in einem pornographischen Sumpf, bei dem sich jedem der Magen umdrehen muss, und es könnte doch sein, dass einer dieser Männer zu den Verdächtigen zählt, die wir identifizieren müssen. Und wo ich schon mal hier bin, kann ich mir die anderen Überwachungsfotos ansehen? Vielleicht kommt mir ja irgendein Gesicht bekannt vor.«
Als er wieder ging, hatte sich die Stimmung zwischen ihm und Firth gebessert, obwohl er eine halbe Stunde damit vertan hatte, die Fotos durchzusehen, ohne irgendjemanden zu erkennen. Draußen hatte inzwischen der Feierabendverkehr eingesetzt, und er überlegte, ob er zu seinem letzten Termin in London die U-Bahn oder ein Taxi nehmen sollte. Angesichts des Staus auf der Straße entschied er sich für die U-Bahn, und schon eine halbe Stunde später unterhielt er sich mit Detective Sergeant Ben Woods auf dem Polizeirevier Holborn Street.
»Wir haben die Bänder der Sicherheitskameras in dem Bereich gesichtet, aber es gibt viele Stellen, die nicht erfasst werden, auch die Telefonzelle selbst. Sie können Sie sich gern selbst anschauen, Sir, oder Sie mitnehmen, wenn Sie möchten.«
Er zeigte auf sieben Videokassetten, nicht so viele, wie Fenwick gehofft hatte.
»Ich werfe hier mal rasch einen Blick rein und nehme sie dann mit. Was ist das für eine Gegend, waren da noch viele Leute unterwegs?«
»Nachts zwischen eins und halb zwei? Nur ganz
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