Sine Culpa
der hochrangigste Offizier auf Coopers Liste, Lieutenant Colonel, und sein Leumund schien makellos. Leute wie Edwards hatten meist gute Beziehungen und neigten dazu, sich bei jeder Kleinigkeit zu beschweren. Je länger er während der Fahrt darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm sein Plan: ein dezenter Besuch, ohne irgendwie Aufsehen zu erregen.
Der Abendverkehr war erstaunlich schwach, und er erreichte schnell sein Ziel. Als er in das Dorf fuhr, wo Edwards lebte, schlug die Kirchenuhr halb sieben. Er kam an einem Pub vorbei und nahm sich vor, auch hier ein paar Erkundigungen einzuziehen, wenn er sich ein wenig umgesehen hatte. Der Pub lag an dem malerischen Dorfplatz, und Edwards’ Haus stand auf einem Hügel über dem Dorf, gut gesichert von einer Steinmauer und einem eleganten schmiedeeisernen Tor. Cooper stellte sein Auto auf dem Platz ab. Von dort konnte er bequem sowohl das Haus als auch den Pub zu Fuß erreichen.
Das Tor war zu, aber nicht abgeschlossen. Dahinter führte eine Kieseinfahrt zu einer spätviktorianischen Villa und dann um das Haus herum in einen abgeschlossenen Gartenbereich. Ein Auto war nirgends zu sehen, doch das musste nichts heißen, denn auf einer Seite der Einfahrt war eine Doppelgarage. Das Haus schien verlassen, aber Cooper stieß trotzdem das Tor auf, um sich ein wenig das Grundstück anzusehen. Er hatte eine Kopie von dem unscharfen Bild mit, das der »Freund« geschickt hatte, aber egal, wie er es drehte und wendete, das schmiedeeiserne Tor vor ihm stimmte nicht damit überein.
Seine Schritte knirschten auf dem Kiesweg. Auf halber Strecke leuchteten die Bewegungsmelder auf, die für einen Sommerabend viel zu früh eingestellt waren, und jagten ihm einen Schreck ein. Er fühlte sich ertappt und wollte gerade umkehren, als das Licht im Eingangsbereich des Hauses anging und aus dem Fenster über der Tür fiel. Noch ehe er anklopfen konnte, wurde die Tür aufgerissen, und eine Stimme, die Glas hätte zerschneiden können, rief: »Du bist viel zu früh!«
Er trat auf die Steinveranda und betrachtete den Mann, dessen Silhouette sich vor dem hellen Hintergrund abhob.
»Verzeihung?«, sagte er. Seine Augen gewöhnten sich an das Licht, und er erkannte Edwards.
Ein verblüfft arroganter Ausdruck huschte über das Gesicht des Mannes.
»Was wollen Sie?«
»Ich war letzten Monat schon mal hier, Detective Sergeant Cooper von der Kripo Harlden. Vielleicht haben Sie meine Nachrichten bekommen.«
Der berechnende Blick im Gesicht des Mannes war so schnell wieder verschwunden, dass Cooper nicht sicher war, ob er ihn überhaupt gesehen hatte.
»Ja, aber im Augenblick passt es mir leider nicht, Sergeant.«
»Ich dachte, ich hätte deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ich Sie dringend sprechen muss.« Seine Stimme war fest.
Robert Courtney Cooper war ein einfacher, aber standhafter Mensch, und er war nicht gewillt, sich von irgendeinem hochnäsigen Exoffizier herumkommandieren zu lassen. Er musterte den Mann bedächtig. Sie standen sich auf Augenhöhe gegenüber, und Cooper war nicht gerade groß. Edwards hatte schütteres glattes Haar, das vielleicht mal rotblond gewesen war. Er trug einen akkuraten Schnurrbart, der einen fleischigen Mund verbarg und von einem fliehenden Kinn ablenkte. Aber er war fit, hielt sich tadellos und trug maßgeschneiderte Kleidung.
»Darf ich reinkommen?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, schob Cooper sich durch die Tür in die Eingangshalle. Er sah rechts und links Türen, an der Rückwand eine geschwungene Treppe und einen Durchgang zum hinteren Teil des Hauses.
»Das kommt mir äußerst ungelegen, Sergeant. Ich erwarte Gäste, und ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich heute Abend keine Zeit für Sie habe. Wir könnten uns im Laufe der Woche treffen.« Cooper fiel auf, dass Edwards verärgert die Unterlippe vorschob. Er sah aus wie ein verwöhnter, alter Schuljunge.
»Ich werde Sie nicht lange aufhalten. Nur rasch ein paar Fragen. Den Rest können wir dann ein anderes Mal erledigen. Wollen wir uns kurz setzen?«
Instinktiv wandte sich Cooper dem Wohnzimmer zu, in dem sie bei seinem ersten Besuch gesessen hatten, und betrat es schon, ehe Edwards ihn aufhalten konnte. Mitten auf einem edlen Teppich standen ein Schrankkoffer und zwei große Reisetaschen, gepackt, geschlossen und mit Gepäckanhängern versehen.
»Sie wollen verreisen, Sir?«
»Ja, allerdings, und das ist einer der Gründe, warum ich sehr beschäftigt bin. Falls Sie darauf bestehen, Ihre
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