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Sine Culpa

Titel: Sine Culpa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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Abhängigkeit. Schleimbildung war ein dauerndes Problem, und in einem seiner vielen Albträume kämpfte er röchelnd gegen das Ersticken an.
    Ein erneutes Frösteln durchlief ihn, als er an die Welt vor dieser Tür dachte und an das Leben, das er in den kalten Nächten kennengelernt hatte, als er am Bahnhof King’s Cross herumgelungert hatte, ehe William ihn fand, ihm Essen gab, ein Bad und frische Kleidung. Zu Anfang war er dankbar gewesen. Erst später hatte er begriffen, dass das alles seinen Preis hatte, und was für einen.
    Trotz der Härten, die das Leben auf der Straße hatte, war Sam am ersten Tag gleich zweimal weggelaufen. Einmal war er durch das Oberlicht in der Toilette gekrochen, beim zweiten Mal war er zwischen den Beinen des Freiers hindurchgeschlüpft und losgerannt, ehe ihn jemand festhalten konnte. Inzwischen kam ihm das lange her vor, obwohl er kaum noch ein Zeitgefühl hatte. Er hatte sich kindisch benommen, sagte er sich, jetzt war er schlauer. Es lohnte sich nicht wegzulaufen. William spürte einen sowieso wieder auf, und er hatte Methoden, einem wehzutun, ohne Spuren zu hinterlassen. Er hatte seine Lektion unter Schmerzen gelernt, so wie er danach alle Kniffe des Geschäfts gelernt hatte. Sam schloss die Augen und schlang unbewusst die Arme um sich.
    Wieso hatte ihn heute Abend keiner gewollt? Das war ein schlechtes Zeichen. Der letzte Junge, der regelmäßig das Schlusslicht gewesen war, wie William sagte, war Jack gewesen. Und Jack hatte er schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Man munkelte, dass er rausgeschmissen worden war. Keiner wusste, was aus einem wurde, wenn hier Schluss war, nur, dass man nicht zurückkam.
    »Sam!«
    Er fuhr zusammen, als Williams Hand schwer auf seiner Schulter landete.
    »Lass dich nicht so hängen, du siehst ja aus wie ein geprügeltes Hündchen.«
    »Mir ist bloß kalt«, sagte Sam und rieb sich kräftig die nackten Arme, um es zu beweisen.
    »Da.« William warf ihm einen Pullover zu. »Nein, nicht anziehen, du Dussel, leg ihn dir um die Schultern. Es dauert nicht mehr lange. Er hat gesagt, er würde um sieben hier sein, wenn der Zug pünktlich ist.«
    Sam warf ihm einen Blick zu. Der Blick gehörte zu dem Repertoire, das er sich hier angeeignet hatte und mit dem er mal Unschuld, mal Frechheit, mal Erregung und mal Neugier vorspielte. Jetzt setzte er seinen neugierigen Blick ein, der meistens funktionierte.
    »Was?«
    Aber diesmal nicht. William starrte ihn ausdruckslos an.
    »Sie haben ›er‹ gesagt«, brachte er schüchtern hervor, obwohl er wusste, dass die Frage ihn teuer zu stehen kommen könnte.
    »Ach so«, er zuckte gleichgültig die Achseln, und Sam atmete auf. »Der Mann, auf den wir warten. Ich hab dich ihm versprochen. Das ist unser wichtigster Kunde, also zeig dich bloß von deiner besten Seite.«
    »Klar!« Erleichterung durchströmte Sam. Er war gar nicht das Schlusslicht, er war reserviert worden.
    Ein Lächeln verwandelte sein Gesicht, und William nickte anerkennend.
    »Braver Junge. Du bist genau sein Typ. Also benimm dich gut, nicht wie dieser Trottel von Jack. Der hat ihn letztes Mal richtig enttäuscht.«
    Er streckte die Hand aus und kniff Sam fest in die linke Wange, so dass ein rosa Fleck auf seiner weißen Haut zurückblieb. Sam zuckte nicht mit der Wimper.
    »Du wirst ihm sagen, dass du neu bist, verstanden? Es würde ihm nicht gefallen, wenn er erfährt, dass ich dich geheim gehalten hab. Und er ist sehr, sehr empfindlich, also sei brav.«
    »Versprochen«, sagte Sam.
    In diesem Moment ging die Tür auf, und William nahm Haltung an, sein Kundenlächeln im Gesicht.
    »Nathan!«, sagte er anbiedernd laut und freundlich. »Herzlich willkommen, Sie waren viel zu lang nicht mehr hier.«
    »Was erwarten Sie, Bill? Letztes Mal war ich schwer enttäuscht. Es gibt noch jede Menge andere Etablissements, die ihre Kunden zufriedenstellen möchten.«
    »Ein kleines Missverständnis. Der betreffende Junge ist nicht mehr bei uns. Glauben Sie mir, diesmal haben wir etwas ganz Besonderes für Sie.«
    »Wir werden sehen. Wo ist er?«
    Nathan klang verärgert, und Sams Lächeln erstarb. Mit einer heroischen Willensanstrengung brachte er seine Miene wieder unter Kontrolle.
    »Gleich hier. Samuel, komm her, mein Lieber, und begrüße Mr. Smith.« Er zog Sam den Pullover mit einem gereizten Ruck von den Schultern.
    Sam fröstelte in seinem Unterhemd, setzte ein Lächeln auf und trat aus dem Schatten in den Lichtkegel in der Mitte des

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