Sine Culpa
wieder aus dem Daily Telegraph erfuhr, daher konnte er sich denken, was sie gegen ihn in der Hand hatten. Er merkte, dass er immer wieder die Finger zur Faust ballte, und zwang sich, damit aufzuhören.
»Das ist natürlich alles blanker Unsinn, Jeremy«, sagte Mitchell, sah ihn aber nicht direkt an. »Du bist im Handumdrehen wieder draußen.«
»Wir werden sehen. Manchmal ist das Leben komplizierter, als uns lieb ist. Aber ich kann dir versichern, ganz gleich, was sie sagen oder was für ›Beweise‹ sie auch vorlegen, ich habe diesen armen Jungen nicht ermordet.«
Mitchell nickte ohne Überzeugung und schielte auf die Uhr.
»Es tut mir leid, Andrew, aber der Fall Hill liegt ebenso wenig im Zuständigkeitsbereich des M.C.S. wie der Fall Eagleton. Falls Sie entscheiden, die Chorknaben-Ermittlung weiterlaufen zu lassen – und ich würde Ihnen weiß Gott keine Steine in den Weg legen, wenn Sie sie einstellen –, dann ist das eine Sache, aber hochqualifiziertes Personal für die Ermittlung von zwei alten Fällen abzustellen, ist ganz einfach inakzeptabel.«
Darum ging’s also. Harper-Brown wollte, dass die Soko Chorknabe aufgelöst wurde. Und obwohl Fenwick selbst schon zu dem Schluss gelangt war, dass sich das wohl nicht umgehen lassen würde, hatte er gehofft, die Entdeckung der Leiche und der Kleidung eines anderen Jungen würde ihm noch eine Schonfrist einbringen.
»Aber wir wissen anhand der Fingerabdrücke, dass die Kleidung in dem Sack Paul Hill gehört hat, und ich hatte bereits festgestellt, dass er in das Profil des Pädophilenrings passt.«
»Profil! Also bitte, Andrew, wir wissen doch beide, dass der Spielraum von fünf Jahren, den Sie für das Alter der Opfer angesetzt haben, völlig willkürlich ist und dass Sie die Suche auf weiße Kinder begrenzt haben, weil die Amis ganz nebenbei so was in der Art erwähnt hatten. Das kann man ja wohl kaum Profil nennen.«
Fenwick atmete tief durch und war froh, dass sie nur miteinander telefonierten. Es ärgerte ihn, dass Harper-Brown die Ruhe selbst war, während er fast vor Wut platzte. Er zwang sich zu einem gelassenen Tonfall. Falls er noch irgendeine Verbindung zu dem Fall Hill behalten wollte, dann würde er wohl oder übel ein bisschen zu Kreuze kriechen müssen.
»Da haben Sie Recht, Sir, natürlich«, er brachte sogar ein Lachen zustande, »und ich mache mir auch so meine Gedanken wegen Chorknabe …«
»Sehr gut.«
»… Falls sich in der kommenden Woche keine neuen Entwicklungen ergeben, werde ich die aktiven Nachforschungen einstellen.«
»Das ist die absolut richtige Entscheidung.« Es hatte Seltenheitswert, dass Fenwick bei H-B Anerkennung erntete, und er nutzte die Gunst der Stunde.
»In der kommenden Woche würde ich gern ein Auge darauf haben, was sich hier in Harlden so ergibt.« Er sprach schnell weiter, ehe der A.C.C. ihn unterbrechen konnte. »Sehen Sie, falls Maidment irgendwas mit Chorknabe zu tun haben könnte, dann wäre es ziemlich peinlich, wenn wir das übersehen würden. Der Fall sorgt jetzt schon für Aufsehen, und die Medien werden sich draufstürzen.«
»Hmm.« Harper-Brown hatte einen gut entwickelten Selbsterhaltungstrieb und ein sensibles politisches Gespür. »Welche Rolle würden Sie spielen wollen?«
»Ich möchte die Vernehmungen leiten. Ich denke, mein Stil könnte bei Maidment funktionieren, und ich hätte die Chance, mehr aus ihm herauszubekommen.«
»Und Chorknabe wird nächste Woche eingestellt?«
Es war ein Geschäft.
»Ja, falls sich nichts Neues ergibt.«
»Also gut, aber agieren Sie in Harlden zurückhaltend. Sie können bei Maidments Vernehmungen die Leitung übernehmen, aber alles andere ist Blites Sache.«
»Klar. Äh, wird Inspector Nightingale mit einbezogen werden, immerhin kennt sie Maidment ja schon sehr gut?« Er wusste nicht, dass sie sich inzwischen bei Quinlan das Recht erobert hatte, mit von der Partie zu sein.
»Um dieses Detail sollten wir beide uns wirklich keine Gedanken machen. So, wenn das alles ist …«
Fenwick kochte noch immer innerlich, als er zu den Vernehmungsräumen ging. Der A.C.C. hatte vor ihm erfahren, dass Maidments Fingerabdrücke auf den Beweismitteln im Fall Hill gefunden worden waren. Das allein war schon schlimm genug, aber dann hatte H-B prompt sein Lieblingsschoßhündchen Blite losgeschickt, um Maidment festzunehmen.
Im Treppenhaus blieb er stehen und ging dann ein Stockwerk höher anstatt nach unten. Quinlan wollte gerade gehen, als er ihn
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