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Sine Culpa

Titel: Sine Culpa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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Feuerschutz, bis er uns erreicht hatte. Eine klassische Rückzugstaktik.
    Als die Sprengladungen hochgingen, konnten wir unseren Verfolgern entkommen. Für das, was dann geschah, gebe ich mir die Schuld«, sagte er und blickte Nightingale herausfordernd an. »Gegen vier Uhr morgens machten wir Rast, legten Jimmy einen Druckverband an und bauten eine Trage für ihn, weil er wegen des Blutverlustes kaum noch stehen konnte. So kamen wir schneller voran, und ich schätzte, dass wir in drei Stunden die Grenze erreichen konnten. Gegen sechs wurde es hell, und ich musste eine Entscheidung treffen: Sollten wir uns bis zum Abend irgendwo verstecken oder weitergehen? Ich warf einen Blick auf den halb bewusstlosen Jimmy, und wir marschierten weiter. Nach zwei Stunden machten wir wieder eine kurze Rast, um zu Kräften zu kommen. Inzwischen war Jimmy bewusstlos und hatte angefangen zu stöhnen. Ich weiß, es klingt schrecklich, aber wir mussten ihn knebeln, damit er keinen Laut mehr von sich gab.«
    Wieder schloss er die Augen. Das einzige Geräusch im Zimmer war das leise Surren des Kassettenrekorders.
    »Die Grenze war keine Stunde mehr entfernt, als einer der Suchtrupps uns entdeckte. Wir bückten uns gerade und zogen die Gurte der Trage zurecht, als ein indonesischer Soldat fast über uns stolperte. Archie schnitt ihm die Kehle durch, aber im Sterben gab er noch einen Schuss ab, und ein halbes Dutzend von ihnen tauchte zwischen den Bäumen auf, keine zwanzig Schritt hinter uns. Richtige Deckung gab es nicht. Wir beschossen sie, und sie feuerten zurück. Archie war der beste Schütze von uns; er schaltete zwei von ihnen aus. Stanley und ich erwischten zusammen drei, aber der Sechste hielt direkt auf uns drauf. Er traf Archie ins Gesicht, ehe ich ihn töten konnte. Archie lebte noch, als er zu Boden fiel.«
    Betroffenes Schweigen trat ein. Die drei Männer schluckten hörbar, doch Nightingale fragte schlicht: »Und wie alt waren die Jungs in Ihrer Patrouille, Major?« In der Stille des Raumes klang sie kühl und nüchtern.
    Nightingale hob bloß die Augenbrauen, um ihrer Frage Nachdruck zu verleihen. Maidment schluckte schwer und antwortete mit unverhohlener Verachtung in der Stimme.
    »Jim war mit zwanzig Jahren der Jüngste. Er kam aus Südlondon und war ein wilder Bursche, der den MPs ständig ein Schnippchen schlug, aber bei jeder Gelegenheit an seine Freundin schrieb. Ich will Ihnen sagen, was mit Jim passiert ist. Er lag auf dem Boden, als die Schießerei losging. Eine verirrte Kugel traf ihn in die Lende und trat im Rücken wieder aus. Die Austrittswunde war so groß wie ein Golfball. Er war sofort tot.
    Der Zweitjüngste war Archie, er war zweiundzwanzig. Ein magerer Hering mit rotem Haar und Sommersprossen, der immer furchtbar unter der Sonne litt. Archie war ein stiller Mensch, nachdenklich, aber ungemein zäh. Die Kugel riss ihm das halbe Gesicht weg, Kieferknochen, Ohr und eine Seite des Mundes. Können Sie sich das vorstellen, in den Mund eines Mannes zu starren und zu sehen, wie sich die Zunge verzweifelt bewegt und sprechen will, während Wangen und Lippen verschwunden sind?« Er blickte Nightingale bohrend an, und diesmal hatte sie keine Antwort parat. »Nein, das dachte ich mir. Stanley und ich waren älter. Er kam mit einer Kopfwunde davon, nur ein Streifschuss.«
    »Und Sie?«, fragte Fenwick sanft.
    »Ein paar leichtere Verletzungen. Die Kugel, die mir galt, hat Archie getroffen.« Maidment musste wegschauen, aber als er den Blick wieder hob, stand Zorn in seinem Gesicht. »Um also Ihre Frage von vorhin zu beantworten, Chief Inspector, wie das ist, in die Augen von Menschen zu sehen, die ich getötet habe und ihren letzten Atemzug zu hören: Das kann ich nicht beantworten. Aber ich habe meine Männer gesehen, als die Sonne durch die Wolken brach. Sie waren aufgeschlitzt, verstümmelt, ausgeblutet und atmeten noch. Und in meinen Träumen sehe ich sie noch immer, an schlechten Tagen sogar auch, wenn ich wach bin. Wagen Sie es nicht, mir zu unterstellen, dass ich dieses Gemetzel genossen habe. Die Männer, die ich getötet habe, starben in einem fairen Kampf, und ich würde es genauso wieder tun, denn es war meine Pflicht ,Chief Inspector, nicht mein Verbrechen.«
    Maidments leidenschaftliche Worte verschlugen Fenwick die Sprache, ließen Nightingale jedoch kalt.
    »Wegen dieser Toten sind Sie nicht hier, Major Maidment«, sagte sie, »sondern wegen der Entführung und Ermordung eines kleinen Jungen.« Sie

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