Sine Culpa
sich, um ihm aufzuhelfen. Paul riss plötzlich den Kopf hoch und traf Bryans Kinn so hart, dass die Zähne hörbar aufeinanderschlugen. Bryan taumelte rückwärts, und Paul flitzte an ihm vorbei nach draußen, ohne sich umzusehen.
»Du kleiner Mistkerl«, schrie Bryan. »Schnapp ihn dir, Alec. Schnapp dir den kleinen Scheißer, er läuft in deine Richtung.« Er lief hinter Paul her, aber der Junge rannte schon auf den Wald am Rande des Grundstücks zu, als wären ihm alle Höllenhunde auf den Fersen.
Hinter ihm hörte er Rufe, Flüche und das Stampfen von laufenden Füßen, aber das war ihm egal. Wenn er es bis zum Zaun schaffte, könnte er drüberklettern und sich verstecken. Er war fast am Ziel, als eine kräftige Hand ihn an der Schulter packte und er ins Stolpern geriet. Er schlug um sich und spürte befriedigt, wie seine Fingernägel sich in Fleisch gruben, aber durch die Bewegung verlor er das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Ein Fausthieb traf ihn so fest am Kopf, dass er Sterne sah. Die Faust hob sich erneut, aber ehe sie wieder zuschlagen konnte, wurde sie von hinten festgehalten.
»Was soll der Scheiß, Alec?« Das war Nathans Stimme, wütender, als Paul sie je gehört hatte. »Keine Prellungen, denk dran.«
»Wenn du meinst, dass der kleine Wichser wieder nach Hause geht, nach dem, was er gerade mit mir gemacht hat, dann liegst du falsch!« Zum Beweis schlug Alec Paul noch einmal, kassierte aber prompt von Nathan einen Hieb ins Gesicht und zwar mit irgendetwas Hartem, denn es bildete sich sofort ein langer roter Striemen.
»Das reicht. Los, runter von ihm, aber dalli.«
Irgendwas in Nathans Stimme brachte Alec zur Besinnung, und er nahm seine Knie von Pauls Brust. Der Junge sog dankbar die Luft ein. Aus den Augenwinkeln sah er etwas Silbriges ins Nathans Hand und erkannte entsetzt, dass es ein Revolver war. Er rollte sich auf die Seite. Sein Magen rebellierte und sein Kopf brannte.
»Trag ihn rüber«, befahl Nathan, und er spürte, wie er mühelos hochgehoben wurde. Sein Kopf baumelte tief über einen Rücken, und er merkte, dass es Bryans war. Er stöhnte.
»Bitte, bitte, Bryan, lass mich los«, flehte er. »Ich will nach Hause. Ich sag auch keinem was, versprochen.«
Bryan reagierte nicht.
»Bryan!«, schrie er verzweifelt, »bring mich nicht wieder dahin. Die tun mir weh, das weiß ich. Bitte!« Er schluchzte laut, und seine Tränen tropften auf Bryans nacktes Kreuz.
»Du hättest nicht weglaufen sollen, Kleiner. Jetzt kann ich dir nicht mehr helfen.«
»Aber du bist doch mein Freund. Hilf mir doch, bitte.«
Bryan hob ihn von der Schulter und stellte ihn aufrecht hin. Paul schwankte leicht, als das Blut ihm aus dem Kopf strömte, aber er behielt das Gleichgewicht und schlang die Arme um Bryans Taille, bettelte, er möge ihn vor den anderen beschützen. Sein Weinen war so mitleiderregend, dass Bryan ihn nah an sich ranzog und ihre Haut sich berührte, Bryans heiß von der Anstrengung, Pauls eiskalt.
»Hör mir zu, mein Süßer«, flüsterte er, »wenn du jetzt schön lieb bist, bring ich dich hier raus. Mach, was sie sagen – und tu so, als würde es dir Spaß machen, damit sie wieder anfangen, dich zu mögen. Wenn alles vorbei ist, sorge ich dafür, dass du wieder nach Hause kommst.«
Paulwich ein wenig zurück, die Augen voll Hoffnung und Angst.
»Versprochen?«, fragte er unsicher.
Bryan atmete tief durch und drückte Pauls Hände.
»Ja«, sagte er. »Versprochen.«
»Ganz ehrlich?«
»Hab ich dich je angelogen?«, antwortete er mit einem Lächeln. Paul schüttelte automatisch den Kopf und folgte seinem Freund zurück zum Pool.
17
Etwas hatte sich verändert. Das spürte Maidment sofort, als der neue Detective den Raum betrat. Er verströmte Autorität. Attraktiver Bursche, konnte sich vor Frauen wahrscheinlich kaum retten. Fenwick hieß er und sah aus, als käme er aus guter Familie. Unter anderen Umständen hätte ihm die geradlinige Intelligenz gefallen, die er bei ihm wahrnahm. Aber wenn dieser Fenwick jetzt die Vernehmung leitete, würde es schwieriger werden, die Stellung zu halten.
Was auch immer Blite hatte sagen wollen, ehe er so abrupt mit Miss Nightingale den Raum verlassen hatte, es blieb vorerst ein Geheimnis. Fenwick schien sich zunächst einmal für die Geschichte seines Lebens bis zur Militärzeit zu interessieren.
Er war höflich, aufgeschlossen und vor allem geduldig, aber der Major wusste, was er damit bezweckte: Er wollte eine persönliche Beziehung
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