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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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alles am Staat fest,
wie? Kannst du mir nicht einfach abnehmen, dass es auch noch andere
Möglichkeiten der gesellschaftlichen Organisation
gibt?«
    »Na ja…« Wassily sah in verständnislos und
leicht verwirrt an. »Wollen Sie etwa behaupten, dass es dort, wo
Sie herkommen, keine Beschränkungen der Informationsfreiheit
gibt?«
    »Das ist keine Frage von Genehmigungen oder Verboten«,
bemerkte Rachel. »Wir mussten uns schlichtweg eingestehen, dass
die Entwicklung nicht aufzuhalten ist. Und der Versuch, sie
aufzuhalten, ist schlimmer als die Krankheit selbst.«
    »Aber… aber Wahnsinnige könnten dann ja biologische
Waffen in ihren Küchen zusammenbrauen und ganze Städte
vernichten. Anarchisten hätten die Macht, die Regierung zu
stürzen. Und niemand könnte mehr sagen, wer er ist oder wo
er hingehört. Der schlimmste Unsinn würde sich verbreiten,
und niemand könnte dagegen einschreiten…« Wassily
schwieg einen Augenblick. »Sie glauben mir nicht«, sagte er
schließlich traurig.
    »O doch, wir glauben dir durchaus«, erwiderte Martin
bitter. »Nur… ist Veränderung nicht immer etwas
Schlechtes, weißt du. Manchmal ist die Redefreiheit ein Ventil
für gesellschaftliche Spannungen, die ansonsten zu einer
Revolution führen würden. Und was die anderen Dinge
betrifft… Na ja, wenn du dich gegen diese Dinge wehrst, bedeutet
das letztendlich, dass du alles ablehnst, das den Status quo
gefährdet. Du betrachtest deine Regierung als
Sicherheitsgarantie, als warme, flauschige Decke, die jeden
Bürger einhüllt und auf Dauer vor allem Schlimmen
beschützt. Solche Vorstellungen sind in der Neuen Republik weit
verbreitet, wie auch der Gedanke, dass Menschen sich
zwangsläufig schlecht verhalten, wenn man ihnen ihren Platz in
der Gesellschaft nicht mit strenger Hand zuweist. Aber dort, wo ich
herkomme, haben die meisten Leute genügend gesunden
Menschenverstand, um solchen Dingen, die ihnen selbst schaden
würden, aus dem Weg zu gehen. Und den anderen muss es
beigebracht werden. Zensur führt nur dazu, dass die Probleme im
Untergrund weitergären.«
    »Aber es gibt doch auch Terroristen!«
    »Ja«, mischte sich Rachel ein, »die Terroristen. Es
gibt immer Menschen, die glauben, das Richtige zu tun, indem sie
Elend über ihre Feinde bringen, Junge. Und du hast völlig
Recht, was die Entwicklung biologischer Waffen und das Verbreiten von
schlimmen Gerüchten betrifft. Aber…«, sie zuckte die
Achseln, »wir können besser mit vereinzelten Erscheinungen
dieser Art leben als mit der totalen und ständigen Zensur und
Überwachung jedes Bürgers.« Sie wirkte erregt.
»Du magst es schlimm finden, wenn ein Wahnsinniger eine
Atomwaffe in einer Stadt deponiert, aber du hast noch nie erlebt, was
passiert, wenn ein Planet das Ziel allgegenwärtiger
Überwachung und Zensur bis zur letzten Konsequenz in die Tat
umsetzt. Es gibt Orte, wo…«
    Sie zitterte so, dass Martin sie musterte. »Du meinst einen
ganz bestimmten Ort…«
    »Ich will nicht darüber reden«, unterbrach sie ihn
schroff. »Und du solltest dich schämen, den Jungen derart
aufzuregen. Hat einer von euch beiden überhaupt bemerkt, dass es
hier drinnen stinkt?«
    »Ja.« Martin gähnte tief. »Werden wir
gleich…«
    »Ich bin kein…«, von draußen war eine Salve
kleinerer Explosionen zu hören, »kleiner Junge mehr!«,
brachte Wassily den Satz mit quäkender Stimme zu Ende.
    »Gurte dich fest, Junge. Hauptantrieb startet in fünf
Sekunden.«
    Martin spannte sich und zog den Sicherheitsgurt unbewusst fester
an. »Wie verläuft unser Abstieg?«
    »Markierungspunkt eins taucht gleich auf. Zehn Sekunden lang
Kursanpassung bei eins-komma-zwei g. Wir harren etwa vier
Minuten lang so aus, dann stoßen wir auf Markierungspunkt zwei
und haben zwei Stunden lang eine Schubkraft von
zwei-komma-zwei-fünf g. Das hört auf, wenn wir uns
in einer Höhe von rund viertausend Klicks über der
Oberfläche des Planeten befinden. Sechzehn Minuten später
treten wir mit etwa vier Sekundenkilometern in die Atmosphäre
ein. Wir werden dann noch über einen Rest von Reaktionsmasse
verfügen, aber ich möchte wirklich nicht den Hauptantrieb
ausreizen, wenn wir uns erst mal in der Luft befinden, die wir
später atmen müssen. Also werden wir das Antriebsmodul
abwerfen, sobald wir uns unterhalb des Orbits befinden. Es wird dann
ganz von selbst mithilfe des letzten Treibstoffs in eine tote
Umlaufbahn stoßen, in der es keinen Schaden anrichten
kann.«
    »Hmm…« Wassily schien verwirrt.

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