Singularität
von
mehreren Lichtjahren – kein Telefonnetz existierte. Und dann hat
es seine Instruktionen befolgt.«
»Aber diese Instruktionen bedeuten doch Krieg!«
»Nein, sie bedeuten lediglich, dass ein Mangel behoben wird.
Letztendlich entpuppt sich das Festival einfach als…
Reparaturdienst, der für die Behebung von Störungen im
Telefonnetz zuständig ist. Das erfolgt ganz automatisch. Nur
geht es dabei nicht um ein simples Telefonnetz, sondern um
Löcher im galaktischen Informationsfluss.« Martin warf
einen Blick zur Seite, auf Rachel, die immer noch mit dem Autopiloten
kämpfte und die Befehle zur Zündung der Landungsrakete
eingab. Es war sicher keine gute Idee, sie zu diesem Zeitpunkt
irgendwie abzulenken. Am besten sorgte er dafür, dass dieser
junge Nervheimer anderweitig beschäftigt war.
»Zivilisationen bilden sich von Zeit zu Zeit heraus und
verschwinden auch wieder von der Bildfläche. Vermutlich hat
irgendeine interstellare Kultur das Festival schon vor ewigen Zeiten
erschaffen. Hat den Mechanismus vor tausenden von Jahren in Gang
gesetzt, damit man Verbindung miteinander halten kann. Als das
Festival in dem Netz, das es wartet und pflegt, ein Loch entdeckte,
beschloss es, dieses Loch zu stopfen. Deshalb hat es sich im Orbit um
Rochards Welt an die Arbeit gemacht, denn dieser Planet ist so
isoliert und von allem übrigen abgeschnitten, wie es schlimmer
nicht sein könnte.«
»Aber wir haben nicht darum gebeten«, bemerkte Wassily
verunsichert.
»Na ja, natürlich nicht. Eigentlich glaube ich, dass das
Festival mittlerweile außerhalb seines
Zuständigkeitsbereiches herumstreunert. Deshalb stellt es bei
jedem System, das es in diesem Bereich entdeckt, Schäden fest,
die repariert werden müssen. Allerdings ist es durchaus
möglich, dass noch mehr an der Sache dran ist. Zur Reparatur
gehört auch der schnelle Austausch von Informationen mit dem
übrigen Netz, mit dem es verbunden ist. Der Fluss verläuft
dabei in beide Richtungen. Mit der Zeit hat sich das Festival zu mehr
entwickelt als einem reinen Reparaturdienst: Es ist zu einer
selbstständigen Zivilisation geworden, die wie eine
Wüstenblume erblühen kann. In geeigneter Umgebung
blüht das Festival kurz auf, zieht sich danach zu einem
Samenkorn zusammen und schläft, während es den wüsten
Abgrund von Lichtjahren zwischen den Oasen überquert.
Telefonschaltungen und -Verbindungen zählen zu den
kompliziertesten informationsverarbeitenden Systemen, die je erfunden
wurden. Woraus hat sich denn deiner Meinung nach das Eschaton
entwickelt?
Als das Festival in Rochards Welt ankam, musste es ein
Kommunikationsdefizit von zweihundertfünfzig Jahren beheben.
Diese Reparatur – die das Ende der Isolation und das Auftauchen
von Gütern und Ideen bewirkte, die in der Neuen Republik
verboten waren – führte zu einer örtlich begrenzten
Singularität. In unserer Branche nennt man das, was darauf
folgte, einen allgemeinen Realitätsverlust. Die Menschen sind
einfach ein bisschen ausgerastet. Durchgedreht wegen einer
plötzlichen Überdosis des Wandels, der Unsterblichkeit,
Biotechnologie, den Menschen in mancher Hinsicht überlegene, mit
künstlicher Intelligenz ausgestattete Roboter, Nanotechnologie
und ähnliche Dinge mit sich brachte. Doch ein Angriff war das
nicht.«
»Aber dann… Wollen Sie damit sagen, dass das Festival
unbegrenzte Möglichkeiten der Kommunikation mit sich
brachte?«
»Genau.« Rachel blickte von ihrem Steuerpult auf.
»Seit Jahren haben wir euren Führern so nett wie nur
möglich beizubringen versucht, dass Information nach Freiheit
verlangt. Aber sie wollten nicht hören. Wir haben’s vierzig
Jahre lang versucht. Und dann taucht das Festival auf, das Zensur als
Fehlfunktion behandelt und die Kommunikation ringsum vorantreibt. Das
Festival akzeptiert kein NEIN als Antwort, weil es selbst
überhaupt keine Meinungen verficht, es existiert ganz
einfach.«
»Aber unbeschränkte Information gibt es doch gar nicht,
kann es doch gar nicht geben. Ich meine, gewisse Dinge… Wenn
jeder alles, was er möchte, lesen dürfte, würde er
vielleicht zu Dingen greifen, die ihn letztendlich verderben
könnten, oder nicht? Es könnte ja passieren, dass die
Menschen gotteslästerlicher Pornografie genauso viel Beachtung
schenken würden wie der Bibel! Sie könnten sich gegen den
Staat oder auch gegeneinander verschwören, und die Polizei
hätte keine Möglichkeit, sie abzuhören und davon
abzuhalten!«
Martin seufzte. »Du machst immer noch
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