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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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setzen kannst, wenn du überleben willst. Vergiss
das bloß nicht!« Sie warf Wassily einen finsteren Blick
zu, den er sofort erwiderte. Er war offensichtlich wütend, aber
nicht fähig, seinem Ärger Luft zu machen.
    Martin, dem Rachel den Rücken zuwandte, war mittlerweile zur
Wiese hinuntergestiegen. Jetzt bückte er sich, irgendetwas hatte
seine Aufmerksamkeit erregt. »He!«
    »Was ist los?«, rief Rachel. Damit war der Bann
gebrochen: Wassily zog sich murrend zurück, um nach einer
Ausstiegsmöglichkeit zu suchen. Martin sagte irgendetwas, das
Rachel nicht verstehen konnte. »Was?«, brüllte
sie.
    »Irgendetwas an diesem Gras ist merkwürdig!«
    »O Scheiße.« Rachel folgte Wassily über den
seitlichen Abstieg; zweieinhalb Meter glitt sie an der sanft
geneigten Kapsel hinunter, bis sie weich auf einem Bett aus feinem
Spinngewebe landete. »Was meinst du damit?«
    Martin richtete sich auf und reichte ihr wortlos einen
Grashalm.
    »Das ist ja…«
    »Rochards Welt hat doch angeblich eine erdähnliche
Biosphäre, stimmt’s?« Martin warf ihr einen
forschenden Blick zu. »So stand es jedenfalls in meinem
Lexikon.«
    »Was ist das denn!«, fragte Wassily.
    »Gras oder was man dafür halten könnte.«
Unangenehm berührt zuckte Martin die Achseln. »Sieht mir
nicht sonderlich erdähnlich aus. Hat zwar die richtige Farbe
und, insgesamt betrachtet, auch die richtige Form,
aber…«
    »Autsch! Hab mich an dem verdammten Ding geschnitten.«
Rachel ließ den Grashalm fallen, der nach unten flatterte, ohne
dass sie ihn weiter beachteten. Als er auf dem Boden auftraf,
löste er sich mit unheimlicher Geschwindigkeit auf, wobei er
entlang der strahlenförmigen Adern zerriss. »Was ist mit
den Bäumen?«
    »Auch die haben etwas Seltsames.« Ein Knacken in seinem
Rücken ließ Martin zusammenfahren. »Was ist
das?«
    »Kein Grund zur Sorge. Ich dachte mir, wir würden hier
unten irgendein Transportmittel brauchen, deshalb habe ich die
Produktion angeordnet. Das Ding verleibt sich gerade die Raumkapsel
ein.«
    »Tolle Ausrüstung«, stellte Martin bewundernd fest.
Die Restkapsel, aus der ein warmer organischer Geruch wie nach
frischem Brot drang, faltete sich nach innen zusammen.
    »Tja.« Rachel wirkte beunruhigt. »Meine
Kontaktperson müsste eigentlich wissen, dass wir hier sind. Ich
frage mich, wie lange es…« Sie brachte den Satz nicht zu
Ende, denn Wassily stapfte gerade zielstrebig zum anderen Ende der
Lichtung hinüber, wobei er irgendetwas pfiff, das nach
Militärmarsch klang.
    »Wer ist diese Kontaktperson denn überhaupt?«,
fragte Martin leise.
    »Ein Mann namens Rubenstein. Zählt zu den
vernünftigeren Kadern des Widerstands, deshalb ist er auch hier
gelandet, im inneren Exil. Diejenigen, die weniger Vernunft bewiesen
haben, sind alle tot.«
    »Und was willst du von ihm?«
    »Ich soll ein Paket bei ihm abgeben. Nicht, dass er es –
nach dem zu urteilen, was hier geschehen ist – überhaupt
noch brauchte.«
    »Ein Paket? Was für ein Paket?«
    Sie wandte sich um und deutete auf den Schiffskoffer, der
inzwischen inmitten eines zusammenfallenden Haufens von
Stützverstrebungen auf der Wiese lag und still vor sich hin
dampfte. »Diese Art Paket.«
    »Diese Art…« Martins Augen verrieten, was ihm durch
den Kopf ging. Rachel griff nach seinem Ellbogen.
    »Komm schon, Martin. Wir untersuchen den Waldrand.«
    »Aber…« Er warf einen Blick über die Schulter.
»Nun gut.«
    »Dahinter steckt Folgendes«, begann Rachel, während
sie sich auf den Weg machten. »Weißt du noch, was ich
über Hilfe für die Menschen in der Neuen Republik gesagt
habe? Es ist schon eine Weile her – sogar schon einige Jahre
–, da kamen bestimmte Leute einer Abteilung, über die du
eigentlich nichts Näheres wissen musst, zu dem Schluss, die Neue
Republik sei reif für eine Revolution. Normalerweise mischen wir
uns in solche Dinge nicht ein. Regime mittels äußerer
Hilfe zu entmachten ist eine faule Sache, selbst wenn man sie ablehnt
oder aus stichhaltigen moralischen Gründen handelt. Doch einige
unserer Analysten meinten, eine Wahrscheinlichkeit von etwa zwanzig
Prozent spreche dafür, dass die Neue Republik bösartige
Proselyten machen und sich in eine imperialistische Macht verwandeln
werde. Also haben wir uns beeilt, die libertäre
Untergrundbewegung, die sich dort eigenständig entwickelt hat,
mit wirkungsvollen Instrumenten auszurüsten. Das geht schon zehn
Jahre so.
    Was das Festival betrifft… Als es auftauchte, ahnten wir

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