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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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»Bin Siebente Schwester. Ihr kommt gerade
rechtzeitig! Haben Krise!«
     
    Gegen Abend versammelten sich Menschen vor dem Herzoglichen
Palast. Sie kamen einzeln oder zu zweit und scharten sich um die
verrußten Außenmauern. Sie wirkten so, als hätte der
Gang der Ereignisse sie verstört, sahen ansonsten aber nicht
viel anders aus als die anderen Bürger der Neuen Republik.
Vielleicht ein bisschen ärmer und ein wenig stumpfer als die
meisten.
    Robard, der im Hof stand, beobachtete sie durch die Tore. Dort
waren zwei der überlebenden Rekruten postiert, die ihre Waffen
gezückt hatten – Überbleibsel einer früheren
Staatsmacht. Irgendjemand hatte eine Fahne aufgetrieben, die an einem
Rand zwar angekohlt, aber noch zu nutzen war. Etwa eine Stunde,
nachdem sie die Fahne gehisst hatten, die jetzt stolz im leichten
Wind flatterte, waren die Menschen nach und nach
zusammengeströmt. Die Fenster mochten zerbrochen und die
Möbel zertrümmert sein, aber sie waren immer noch Soldaten
Seiner Kaiserlichen Majestät, und es gab, bei Gott und dem
Kaiser, immer noch gewisse Normen, an denen man sich ausrichten
würde – jedenfalls hatte das der Admiral verkündet,
und daran hielten sie sich.
    Robard holte tief Luft. Das sollte ein Insektenstich gewesen sein?
Wahrhaftig ein äußerst verdächtiges Insekt! Aber
seitdem der Admiral gestochen worden war, hatte sich sein Zustand
auffällig verbessert. Zwar hing seine linke Wange immer noch
schlaff herunter, und die Finger waren nach wie vor taub, aber sein
Arm…
    In der Mittagshitze hatten Robard und Leutnant Kossov ihren alten
Herrn und Meister fluchend und schwitzend zum Kontrollturm geschafft.
Als sie dort angekommen waren, hatte Kurtz einen Anfall erlitten und
sich cholerisch – keuchend und nach Luft schnappend – im
Rollstuhl herumgeworfen. Robard hatte schon das Schlimmste
befürchtet, da war Dr. Hertz gekommen und hatte dem Alten eine
gewaltige Dosis Adrenalin gespritzt. Wie ein Hund hechelnd, war der
Admiral in seinen Stuhl zurückgesunken. Gleich darauf hatte sich
sein linkes Auge geöffnet, zur Seite gewandt und Robard mit
einem schrägen Blick fixiert.
    »Was möchten Sie, Sir? Kann ich irgendetwas für Sie
tun?«, hatte Robard gefragt.
    »Warten Sie«, hatte der Admiral gezischt und sich
sichtlich angespannt. »Mir isso heiß. Aber seh allesso
deutlich.« Beide Hände hatten sich bewegt und die Lehnen
des Rollstuhls umklammert. Und dann war der Alte zu Robards
Bestürzung aufgestanden. »Mein Kaiser! Ich kann wieder
gehen!«
    Unmöglich, die Gefühle zu beschreiben, die Robard dabei
empfand. Vor allem war er fassungslos, aber er war auch stolz auf den
Admiral. Eigentlich hätte der Alte dazu doch gar nicht in der
Lage sein dürfen, schließlich war er in Folge des
Schlaganfalls halbseitig gelähmt. Solche Schäden, hatte der
Arzt gesagt, seien nie wieder zu beheben. Und dennoch hatte sich
Kurtz aus seinem Rollstuhl hochgerappelt und einen unsicheren Schritt
nach vorn getan…
    Danach hatten sich die Ereignisse derart überstürzt,
dass Robard sich nur noch nebelhaft an den Weg vom Kontrollturm zum
Schloss erinnern konnte: Sie hatten irgendein Fahrzeug beschlagnahmt
und waren damit durch die weitgehend verlassene Stadt geholpert. Die
eine Hälfte der Häuser war zu Schutt und Asche
niedergebrannt, die andere hatte bizarre Blüten getrieben. Das
Schloss war verwaist. Bring den Admiral als Erstes ins
Schlafzimmer des Herzogs, hatte er sich gesagt. Dann such die
Küche und sieh nach, ob du in den riesigen Speisekammern im
Keller etwas Essbares auftreiben kannst. Irgendjemand hisst eine
Fahne. Wachsoldaten am Tor. Zwei schüchterne Dienstmädchen
huschen wie kleine Labormäuse aus ihrem Versteck und treten
knicksend wieder zum Dienst an, den sie doch längst
aufgekündigt hatten. Eine Einzelheit, die ihm beim
Aufräumen auffällt: Irgendjemand hat die zertrümmerten
Möbel skrupellos auf den Stapel mit Feuerholz geworfen, der
für den Kamin im Großen Ballsaal vorgesehen ist. Hinter
den hohen Fenstern, die zersprungen sind, Sicherheitsgardinen aus
Stahlnetz. Am Tor Wachsoldaten, mit Gewehren bewaffnet. Man muss
die Wasserleitungen überprüfen. Weitere uniformierte
Soldaten, die in der staubigen Hitze des Nachmittags vorrücken. So vieles zu erledigen – und alles gleichzeitig.
    Er hatte sich eine Minute davongestohlen, um in das Büro des
BÜRGERS von Beck einzubrechen. Keiner der revolutionären
Kader war so weit ins Schloss vorgedrungen, zumindest hatte keiner
die

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