Singularität
fällt in die zweite Kategorie verbotener Waffen. Wenn eine
planetarische Zivilisation anfängt, damit herumzuspielen, kommt
früher oder später das große E und sieht es sich an
– und dann ist es aus mit der Zivilisation auf diesem
Planeten.«
Martin nickte und versuchte so auszusehen, als wäre ihm das
alles neu. Er biss sich auf die Zunge, um nicht der Versuchung
nachzugeben, ihre letzte Behauptung zu berichtigen. Dass sie sich auf
dieses Thema eingelassen hatte, wirkte so ansteckend, dass er am
liebsten auch sein eigenes Wissen beigesteuert hätte.
Rachel nahm einen Löffel Suppe. »Das große E kann
außerordentlich brutal sein. Wir haben eindeutige Beweise
für wenigstens eine atypische Supernova, die etwa
fünfhundert Lichtjahre außerhalb unseres – des
irdischen – Kausalitäts-Kegels aufgetaucht ist. Wenn man
versucht, eine Bedrohung, die sich mit Höchstgeschwindigkeit
verbreitet, ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen, ergibt
das durchaus Sinn. Deshalb nehmen wir an, dass das Eschaton dahinter
steckt. Wie auch immer – es wäre jedenfalls eine schlechte
Politik, die zulässt, dass das kleine Nachbarskind mit
strategischen Kernwaffen herumspielt, meinen Sie nicht
auch?«
»Tja.« Martin nickte und nahm ebenfalls einen
Löffel Suppe. »Etwas dieser Art könnte
tatsächlich verhindern, dass man die Zusatzvergütung
für den pünktlichen Abschluss der Arbeit auch einkassieren
kann.«
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, dann nickte sie ihm zu.
»Immer noch sarkastisch. Wie haben Sie sich bislang denn aus
Schwierigkeiten heraushalten können?«
»Gar nicht.« Er legte den Löffel nieder.
»Deshalb hat mich Ihr Annäherungsversuch, wenn ich so sagen
darf, ja auch ein bisschen aus der Fassung gebracht. Ich halte nicht
viel davon, mich in einem Gefängnis aufknüpfen zu
lassen.«
Rachel holte Luft. »Es tut mir Leid«, sagte sie.
»Ich weiß zwar nicht, ob Ihnen besonders viel daran liegt,
aber… es ist mein Ernst. Trotzdem würde ich Ihnen gern den
größeren Zusammenhang erklären. Die Neue Republik
liegt nur zweihundertundfünfzig Lichtjahre von der Erde
entfernt. Sollte das große E beschließen, den
Hauptplaneten hier in die Luft zu jagen, müssten wir
fünfzig Sternsysteme evakuieren.« Der Gedanke schien ihr zu
schaffen zu machen. »Darum geht es hier. Deshalb musste ich Sie
in diese Sache hineinziehen.«
Sie senkte den Blick und widmete sich entschlossen ihrer Suppe,
während Martin sie unverwandt betrachtete. Ihm war der Appetit
vergangen. Sie hatte gründliche Arbeit dabei geleistet, ihm jede
Lust aufs Essen zu nehmen, indem sie ihm den wahren Grund seiner
Anwesenheit erneut ins Gedächtnis rief.
Aus seinen Eltern machte er sich nicht viel, aber er hatte auf dem
Mars eine Schwester, an der er sehr hing. Und zu viele Freunde und
Erinnerungen, als dass er noch mehr über diese Sache hätte
hören wollen. Einfacher war es, ihr beim Essen zuzusehen und das
makellose Rosa ihrer Haut an Armen und Dekollete zu bewundern; er
blinzelte, griff nach seinem Weinglas und trank es auf einen Zug aus.
Als sie aufblickte, ertappte sie ihn dabei, wie er sie beobachtete.
Sie grinste breit – sogar theatralisch – und leckte sich
langsam über die Lippen. Das war ihm ein wenig zu dick
aufgetragen, sodass er sich wegdrehte.
»Verrucht soll das aussehen. Scheiße noch mal, Mann,
wir müssen doch so wirken, als wäre Ihre Einladung zum
Abendessen nur das Vorspiel. Anschließend wollen Sie mich
natürlich mit nach Hause nehmen und bis zur Besinnungslosigkeit
durchvögeln«, sagte sie leise. »Können Sie nicht
wenigstens ein kleines bisschen Interesse heucheln?«
»Tut mir Leid«, erwiderte er schockiert. »Ich bin
kein Schauspieler. So sollen wir also dabei aussehen?«
Sie streckte ihr leeres Weinglas hoch. »Schenken Sie mir
bitte nach.« Während sie ihn mit einem seltsamen Blick
bedachte, setzte er sich aufrecht hin, griff nach der Weinflasche und
füllte ihr Glas. »Ich wollte Ihnen keineswegs den Appetit
verderben. Zumal Sie auf tausende von Meilen der einzige zivilisierte
Mensch sind, der mir Gesellschaft leisten kann.«
»Ich bin Ingenieur und für die Antriebe von Raumschiffen
zuständig«, erwiderte er und kramte in seinem Hirn nach
irgendeiner anderen Antwort. Auf was lasse ich mich da ein?, fragte
er sich verzweifelt. Noch vor zwei Stunden wäre er vor
Langeweile und Einsamkeit fast verrückt geworden. Jetzt hatte
ihn eine intelligente, attraktive Frau – die zufällig auch
noch Spionin
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