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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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war – aus seinem Loch gezerrt und zum Abendessen
eingeladen. Irgendein Haken musste ja wohl daran sein, oder?
    »Ich arbeite gern mit Maschinen und mag Raumschiffe.
Im…«, er räusperte sich, »im Umgang mit Menschen
bin ich nicht so gut.«
    »Und ist das ein Problem?«
    »Tja.« Er nickte und taxierte sie. Ihre Miene
drückte Anteilnahme aus. »Mit den Einheimischen gibt es
ständig Missverständnisse. Das ist gar nicht gut. Deshalb
habe ich mich in mein Zimmer verkrochen und versucht, keinem in die
Quere zu kommen.«
    »Und jetzt – lassen Sie mich raten – entwickeln Sie
langsam so was wie eine Knastneurose?«
    »Nachdem ich vier Monate auf diese Weise verbracht habe,
könnte man es so nennen.« Er nahm einen Schluck Wein.
»Und wie sieht’s bei Ihnen aus?«
    Sie atmete tief durch. »Nicht ganz so schlimm, aber fast.
Schließlich habe ich hier etwas zu erledigen und soll mich aus
Schwierigkeiten heraushalten. Bei mir gehört es zur Arbeit, mich
anzupassen, aber nach kurzer Zeit treibt es einen in den Wahnsinn.
Wirklich, dieses persönliche Gespräch vor Ort wird in den
Vorschriften nicht gerade empfohlen, wie Sie wissen müssen. Es
wäre sicher viel einfacher, eine wechselseitige Abhöranlage
zu installieren, um Ihnen eine Nachricht zukommen zu
lassen.«
    »Aber Sie hatten«, er lächelte schwach, »eine
Knastneurose.«
    »Genau.« Sie grinste. »Wie Sie auch.«
    »Wartet zu Hause jemand auf Sie?«, fragte er.
»Entschuldigung, ich meine: Gibt es jemanden, zu dem Sie so bald
wie möglich zurückkehren möchten? Oder jemanden, bei
dem Sie abladen können? Zum Beispiel, indem Sie Briefe
schreiben?«
    »Pah!« Sie runzelte die Stirn und sah ihn gleich darauf
an. »Das hier ist kein Beruf für jemanden, der mit mehr als
seiner Arbeit verheiratet ist, Martin. Und das gilt ja auch für
Ihren Job. Falls Sie verheiratet wären, würden Sie Ihre
Familie dann an einen solchen Ort wie die Neue Republik
verschleppen?«
    »Nein, aber so habe ich es auch gar nicht
gemeint…«
    »Ich weiß.« Ihre finstere Miene wich
Nachdenklichkeit. »Allerdings tut es hin und wieder gut, wenn
man frei reden kann.«
    Martin spielte mit seinem Weinglas. »Stimmt«, sagte er
nachdrücklich. »Letzte Woche hat mich das auch
gepackt.« Er redete nicht weiter, da sie ihn seltsam ansah. Ihr
Gesicht verzog sich zu einer Miene, die als Lächeln hätte
durchgehen können, hätte er nicht die Augen gesehen. Und
die blickten beunruhigt.
    »Lächeln Sie mich an, ja, gut so. Machen Sie so weiter,
hören Sie nicht auf damit. Wir werden gerade beobachtet. Machen
Sie sich keine Sorgen wegen des Mikros – darum habe ich mich
gekümmert –, aber von ganz hinten beobachtet uns jemand aus
Fleisch und Blut, ein Spitzel. Versuchen Sie so zu wirken, als
wollten Sie mich mit nach Hause nehmen und ins Bett zerren, sonst
wundert der sich, was wir hier treiben.« Sie himmelte ihn mit
breitem Lächeln an. »Finden Sie mich hübsch?«
Hinter der Maske ihres dümmlichen Grinsens musterte sie ihn.
    »Ja…« Er starrte sie an und hoffte dabei, dass er
wirklich wie vernarrt wirkte. »Ich finde Sie sehr
hübsch.« Hübsch auf eine Art, die nur eine gute
Diät und die bestmögliche ärztliche Versorgung
bewirken konnten. Er bemühte sich, noch breiter zu grinsen.
»Ach, eigentlich eher schön und resolut.« Ihr
Lächeln nahm einen leicht starren Zug an. Mitten in diesem
grinsend ausgetragenen Duell tauchte der Kellner auf, um die
Suppenteller abzuräumen und den Hauptgang zu servieren.
    »Oh, das sieht aber gut aus.« Während sie nach
Messer und Gabel griff, lockerte sie sich ein wenig. »Hm. Sehen
Sie sich nicht um, aber der Mann, der uns beschattet, blickt gerade
in eine andere Richtung. Wissen Sie was? Sie sind ein
größerer Kavalier, als Ihnen gut tut. Die meisten
Männer in dieser Spelunke hätten längst versucht, mich
anzugrapschen. Das bringt dieser Ort mit sich.«
    »Bei den meisten Männern macht es nach fünfzig,
sechzig Jahren klick. Und dann sorgen sie sich nicht weiter darum, ob
sich alles in Luft auflöst, wenn man nicht mit beiden
Händen danach grapscht. Das Problem ist, dass hier keine
Verjüngungskuren erlaubt sind…« Verlegen brach er
ab.
    »Ja, und Ersteres weiß ich auch zu schätzen.«
Sie erwiderte sein Lächeln.
    »Hat Ihnen mal jemand gesagt, wie süß Sie
aussehen, wenn Sie lächeln? Ich hab so viel Zeit an diesem
Dreckort verbracht, dass ich schon gar nicht mehr weiß, wie ein
ehrliches Lächeln aussieht. Und schon gar nicht, wie gut

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