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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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du ihn nicht dauernd
überwachen konntest. Was sonst noch? Wie hat er den Abend denn
überhaupt verbracht?«
    »Ich weiß nicht, worauf Sie hinaus wollen, Sir«,
sagte Wassily mit angespannter Stimme. »Was meinen Sie
damit?«
    Der aufgebrachte BÜRGER warf ihm einen finsteren Blick zu.
Selbst aus der Entfernung von vierzigtausend Kilometern reichte sein
Blick auf dem Schirm, um Wassily zurückfahren zu lassen.
    »In deinem Bericht heißt es«, sagte der
BÜRGER mit großem Nachdruck, »dass die
verdächtige Person die Wohnung verlassen hat, dir einige Minuten
aus den Augen geriet und als Nächstes dabei gesehen wurde, wie
sie in einem öffentlichen Etablissement in Gesellschaft einer
Schauspielerin zu Abend aß. In deren Apartment er
anschließend einige Stunden verbrachte, ehe er zum
Stützpunkt zurückkehrte. Und du hast sie nicht
überprüft?«
    Wassily wurde bis über beide Ohren rot. »Ich
dachte…«
    »Hat er so etwas je zuvor getan? Zum Beispiel in Neu-Prag?
Das glaube ich nicht. Nach seiner Personalakte hat er seit seiner
Ankunft in der Republik das Leben eines Mönchs geführt.
Nicht ein einziges Mal, nicht ein einziges Mal in den fast zwei
Monaten, die er im Hotel Zur Glorreichen Krone verbrachte, hat
er jemals irgendein Interesse an den Mädchen gezeigt, die dort
arbeiten. Und sobald er dort ankommt und seine Arbeit aufnimmt, was
tut er da?«
    »Daran habe ich nicht gedacht.«
    »Das ist mir klar.« Der BÜRGER schwieg einen
Augenblick, aber sein Gesicht sprach Bände, sodass sich Wassily
innerlich duckte. »Ich werde mir jetzt nicht weiter deinen Kopf
zerbrechen, aber vielleicht hast du die Güte, mir mitzuteilen,
was du als nächsten Schritt vorschlägst.«
    »Äh…«, Wassily blinzelte.
»Hintergrundinformationen über die Frau einholen? Und wenn
das geklärt ist, ihr einige Fragen stellen? Ihn künftig
besser überwachen…?«
    »Sehr gut.« Der BÜRGER grinste brutal. »Und
was hast du aus diesem Fiasko gelernt?«
    »Das Verhalten der verdächtigen Person genau zu
verfolgen und dabei auf Veränderungen zu achten«, erwiderte
Wassily hölzern. »Und besonders auch solchen Dingen
Aufmerksamkeit zu schenken, die er unterlässt, und zwar genauso
sorgsam wie bei den Dingen, die er tatsächlich tut.« Das
war eine Regel, die man den Rekruten bei der Grundausbildung
ständig einbläute. Er hätte sich selbst dafür in
den Hintern treten können, dass er sie vergessen hatte. Wie
hatte ihm etwas derart Offensichtliches entgehen können?
    »Richtig.« Der BÜRGER lehnte sich zurück, weg
von der Kamera seines Telefons. »Eine sehr grundlegende Sache,
Muller. Aber wir alle lernen am besten aus eigenen Fehlern. Sieh zu,
dass du aus diesem Fehler lernst, ja? Mir ist es egal, ob du deinem
Mann den ganzen Weg nach Rochards Welt und wieder zurück auf den
Fersen bleiben musst, solange du die Augen offen hältst und es
merkst, wenn er den entscheidenden Schritt tut. Und ich gebe dir
einen weiteren kostenlosen Rat mit auf den Weg: Du hast noch etwas
anderes zu erledigen, und es wäre besser für dich, wenn
du’s selbst bemerken würdest, ehe ich dich daran erinnern
muss!«
    »Ja, Sir.«
    »Auf Wiedersehen.«
    Die Videofonverbindung löste sich zu Testbildern auf, dann
wurde der Bildschirm dunkel. Während Wassily vorsichtig aus der
abgeteilten Nische trat, überlegte er krampfhaft, was der
BÜRGER mit seiner letzten Bemerkung gemeint haben mochte. Je
schneller er alles aufklärte und ein für alle Mal bewies,
dass Springfield ein Spion oder aber kein Spion war, desto besser.
Für das Leben an Bord war er nicht geschaffen. Vielleicht
wäre es eine gute Idee, den neuen Tag damit zu beginnen, den
Chefingenieur zu verhören, der Springfields Vorgesetzter war?
Wahrscheinlich hatte der BÜRGER genau das von ihm verlangt. Die
Sache mit der Hure konnte er auch später noch verfolgen. (Bei
dieser Vorstellung hatte er ein ungutes Gefühl, es war ihm
peinlich.)
    Gerade hatte er die Nase in den Korridor gestreckt, da hätte
eine Gruppe von rekrutierten Matrosen ihn fast umgerannt. Im
Eilschritt zogen sie einen mit schweren Gerätschaften beladenen
Karren hinter sich her. Beim zweiten Versuch sah er zur Vorsicht erst
nach rechts und links, ehe er sich vorwagte. Es waren keine
Hindernisse in Sicht. Also machte er sich auf den Weg durch den voll
gestopften, blau gestrichenen Korridor, der der Biegung des inneren
Rumpfes folgte. Die frei im Raum schwebende Lord Vanek simulierte Schwerkraft, indem sie sich auf die Erzeugung

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