Sinnliche Eroberung
Titus Magnus, an den Hängen des Esquilin, bringen.«
»Wir haben unsere Befehle vom Kaiser«, bekam sie erneut Bescheid.
Vielleicht war Marcus ja zu Nero selbst gegangen, um sie freizubekommen. Das musste es sein! Wieder keimte Hoffnung in ihr auf. Und abermals sank sie in nichts zusammen, als sie merkte, daß man sie in eine Zelle unter dem Circus Maximus brachte und einsperrte. Die Luft war erfüllt vom scharfen Geruch von Tierdung.
Angst und Sorge wollten sie besiegen, und sie konnte nicht verstehen, warum man sie an diesen Ort gebracht hatte. Ihre Kehle war so ausgedörrt und wund, daß sie kaum noch zu schlucken vermochte. Sie sehnte sich nach einem Glas kalten Wassers. Da sie nicht wusste , was man mit ihr vorhatte, drängten sich die schrecklichsten Bilder in ihre Vorstellung.
Als Diana sich verzweifelt an die Gitter ihrer Zelle klammerte, sah sie herrliche, mit Gold und Silber verzierte Streitwagen, die durch den breiten unterirdischen Gang gezogen wurden. Sie rief die Männer an, doch die schauten nicht einmal in ihre Richtung. Sie vermieden den Augenkontakt, als ob sie aussätzig wäre.
Als nächstes trotteten majestätische Pferde in Gespannen von jeweils vier an ihr vorbei. Sie kamen in jeder erdenklichen Farbe - von kohlschwarz über rotbraun, rotgrau, grau, cremefarben bis schneeweiß. Die Tiere waren unruhig und schwer zu bändigen. Dumpf erkannte sie, daß dies die Pferde waren, die für die Wagenrennen verwendet wurden. Sie konnten es kaum erwarten, ihre aufgestauten Energien auf der weitläufigen Arena auszutoben.
Ob man sie in einem dieser Streitwagen zu Nero bringen würde? Dieser Gedanke erschien ihr ziemlich unwahrscheinlich, doch alles, was in den letzten vierundzwanzig Stunden passiert war, grenzte an Wahnsinn.
Marcus traf früh am Circus Maximus ein. Einige der berühmtesten Wagenlenker würden heute an den Start gehen, und er war ein großer Bewunderer ihrer Talente. Er wusste aus erster Hand, wie schwierig es war, ein Gespann von vier Pferden zu kontrollieren, die in vollem Galopp über die Bahn rasten, und dabei auch noch die Kurven erfolgreich zu nehmen. Um ein Rennen zu gewinnen, brauchte es eine ganze Reihe von Faktoren. Nicht nur das Temperament und das Training der Pferde waren ausschlaggebend, sondern auch das Gewicht des Streitwagens, wie gut seine Achsen geschmiert waren, die Länge der Zügel und natürlich der Zustand der Rennbahn.
Das Wichtigste, um ein Rennen zu gewinnen, stellte jedoch die Einstellung des Wagenlenkers dar. Er brauchte nicht nur Geschick, Mut und Entschlossenheit, darüber hinaus musste er eine große Portion Risikobereitschaft, um nicht zu sagen Tollkühnheit, sowie einen eisernen Siegeswillen besitzen; mit einem Wort, er brauchte ein Gemüt aus Stahl!
Marcus fühlte, wie die Aufregung in ihm wuchs, während er zusah, wie die Streitwagen und Pferde aus den unterirdischen
Ställen heraufgebracht wurden. Obwohl es erst früh am Morgen war, versprach es ein herrlicher Tag zu werden. Sobald die Rennen vorbei waren, würde er sofort aufbrechen und Diana überraschen. Dies würde sicher einer der aufregendsten und schönsten Tage seines Lebens werden!
Da er sich lange bei den Wagenlenkern aufhielt, traf er erst spät in der kaiserlichen Loge ein. Aller Augen richteten sich bei seinem Eintreten auf ihn, und Nero salutierte. Er lächelte entschuldigend. Seine Züge waren so ausdrucksvoll und arrogant, daß Nero sich fragte, wie er Petrius für den schöneren der beiden hatte halten können.
Diana rang nach Luft, als sie den Riesen erblickte, der ihre Zelle auf schloss . Er war nackt bis auf einen Lendenschurz und trug eine brennende Fackel. Die Muskeln an seinem mächtigen Körper glänzten vor Öl und sie schrak alarmiert zurück, als sie sein Gesicht sah. Er besaß eine häßliche, harte Visage, bar jeder Emotionen. Seine Augen blickten wie tot in die Welt, so ausdruckslos waren sie. Er sah aus wie ein Henker!
Da wusste sie auf einmal, daß ihr Alptraum erst begonnen hatte. Damit er sie nicht anfaßte, trat sie aus der Zelle und nickte ihm zu. Als sie ihm in die Arena folgte, begann sie zu beten. Tief in ihrem Herzen wusste sie, daß es keine Hoffnung mehr für sie gab und so suchte sie instinktiv nach der Hilfe des Heiligen St. Jude.
»Heiliger St. Jude, Apostel und Märtyrer, Jünger Jesu Christi, Fürsprecher der Bedürftigen, voll der Gnade!
Aus tiefstem Herzen flehe ich dich an, beschütze mich, du, den der Herr ermächtigt hat, komm
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