Sinnliche Eroberung
Ablenkung von seiner großen Verantwortung. Ich selbst werde mir vor dem Mittagsmahl eine entspannende Massage gönnen und schicke dir Sylla in deine Kammer, damit sie dein Haar und dein Gesicht herrichtet.«
Als Diana in Keils kleinen Wagen kletterte, raffte sie ihren wollenen Umhang fest zusammen. Sie war froh, daß er eine Kapuze besaß, denn heute wehte ein kalter Wind von der Küste herauf. Hier oben auf den Hügeln spürte man bereits den kommenden Herbst. Vielleicht hatte der Sturm von letzter Nacht ja das Ende des Sommers eingeläutet. Für Diana signalisierte er ebenfalls das Ende ihrer Unschuld. Sie empfand keine Reue, fühlte sich im Gegenteil lebendiger als je zuvor. Das Leben war voller Herausforderungen und Abenteuer, und alles kreiste um einen Mann: Marcus Magnus.
»Soll ich zur Festung gebracht werden?« fragte sie Kell.
»Nein, wir fahren direkt zum Fluß.«
Diana erschauderte. »Es ist kalt geworden, da werden sie doch sicher nicht ins Wasser gehen?«
»Schlechtes Wetter hat den General noch nie aufgehalten.«
Sie warf Kell einen Blick unter gesenkten Lidern hervor zu. »Was könnte ihn denn aufhalten?« fragte sie in gespielt leichtem Ton.
»Nichts auf der Welt, Lady.«
Diana erschauderte bei dem bloßen Gedanken an diesen Herkules.
»Er hat nur auf einen Sturm gewartet, der den Fluß zum Anschwellen bringt. Das ist sein Element, glaube mir!«
Kell stoppte das Gefährt auf einer Wiese jenseits des Avon. An den Ufern des Flusses, der etwa zwölf Meter unter ihnen lag, standen mehr als tausend Legionäre aufgereiht, alle in voller Rüstung, mit einem Rucksack auf den Schultern und den Waffen im Gürtel. Jeder Soldat hatte sein Schild auf den Rücken geschnallt und trug die erforderlichen Utensilien zur Errichtung eines Lagers bei sich.
Dianas Augen machten rasch die hünenhafte Gestalt von Marcus aus. Er war gerade dabei, seinen Männern zu zeigen, wie man den Fluß überquerte. Sie sah zu, wie er seine Waffen festschnallte, sein Schild über den Rücken hängte und dann seine zwei Speere in einer Hand hochhielt.
Sie hielt den Atem an, als er ins Wasser watete, wobei er die Speere zunächst als Stützen benutzte und sich dann, als ihm das Wasser bis zum Brustharnisch stand, mit ihnen vom Ufer ab-und in die wirbelnde Strömung des Flusses stieß. Er schwamm nur mit einem Arm. Mit dem anderen Arm hielt er die Speere parallel zum Körper, damit sie seine Schwimmbewegungen gleichsam unterstützten und nicht behinderten.
Schreckliche Angst befiel sie, daß die schwere Rüstung und der eiserne Helm ihn unter Wasser zögen. »Warum riskiert er bloß sein Leben?« rief Diana Kell verzweifelt zu.
»Er muß seinen Soldaten ein Vorbild sein«, sagte Kell stoisch.
»Nein, das geht nicht!« Sie raffte ihren wollenen Umhang zusammen, um sich daran festzuhalten.
Kell schüttelte den Kopf. »Für Marcus Magnus ist nichts unmöglich.«
Diana wagte nicht, die Augen von dem behelmten Kopf, der in der reißenden Strömung tanzte, abzuwenden. All ihre Gedanken und Aufmerksamkeit galten dem Mann, der mit der Strömung kämpfte, und die Rufe der Männer am Ufer drückten ebenfalls den Wunsch aus, er möge allen Widerständen zum Trotz bestehen.
Inzwischen hatte er mehr als die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht und sie erkannte, daß er den Fluß besiegen würde. Wieviel Stärke, wieviel Entschlossenheit musste man besitzen, um so etwas fertigzubringen? Als er das gegenüberliegende Ufer erreichte, hämmerte ihr Herz wie wild vor Freude über seinen Sieg. Ein großer Jubel brach unter den Legionären und ihren Hauptleuten aus. Dann machte sich Marcus Magnus, so unglaublich es war, daran, dieselbe Strecke zurückzuschwimmen.
Was sie vor sich sah, war ein reiner Kraftakt. Dieses Spektakel ließ Dianas Knie weich werden. Ihr Mund wurde trocken, als sie daran dachte, wie sich seine starken Hände auf ihrem Körper anfühlten. Er musste sie letzte Nacht in seine Arme genommen und aufs Bett gehoben haben, um anschließend seinen herrlichen Körper neben ihr auszustrecken und ihr beim Schlafen zuzusehen. Sein bloßer Anblick, wie er mit den Elementen kämpfte, wirkte wie ein Liebestrank auf sie. Jetzt wünschte sie aus tiefstem Herzen, daß er sie letzte Nacht geweckt hätte.
Marcus gewann auch ein zweites Mal gegen den Fluß. Er erhob sich mühelos aus dem Wasser und reichte seine Speere einem der Offiziere. Weiß er, daß ich ihm zusehe ? In dem Moment, in dem sie sich das fragte, drehte sich
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