Sinnliche Maskerade
blickte hinunter auf ihre Finger, die sie im Schoß verschränkt hatte. Ja, das musste sie eingestehen - wie sie sich ebenfalls eingestehen musste, dass sie diese Erkenntnis tags zuvor noch als angenehm empfunden hatte. Schließlich musste man sich nicht dafür schämen, einer unbestreitbaren Schönheit ähnlich zu sehen, und nichts anderes war ihre Mutter.
»Nun, solange sie sich in der Stadt aufhält, darf ich nicht ausgehen«, behauptete sie, »also muss ich meine Geschäfte hier so schnell wie möglich abschließen und nach Combe Abbey zurückkehren.«
Peregrine zögerte und fragte sich, ob der richtige Moment wohl gekommen wäre. Aber vielleicht war es auch so, dass ein solcher Moment gar nicht existierte.
»Alexandra, es gibt keinen Grund, mit dieser gefährlichen und kriminellen Scharade weiterzumachen. Nimm, was du hast, und setze es für Sylvias Wohlergehen ein. Vor allem aber lass es bleiben.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Das kann ich nicht. Ich muss zu Ende bringen, was ich angefangen habe. Wie sonst sollte ich leben?«
Er kratzte sich am Ohr und suchte nach den richtigen Wor-
»Du wirst bei mir leben. Sobald ich die Erlaubnis erwirken kann, werden wir heiraten. Du wirst in deine wahre Identität zurückkehren. Niemand wird die heruntergekommene Mistress Hathaway mit der Ehefrau des Honorable Peregrine Sullivan in Verbindung bringen. Du bist frei und sauber.«
»Um Himmels willen, Peregrine!«, rief sie und sprang auf. »Hast du mir gestern Abend gar nicht zugehört? Du darfst kein uneheliches Mädchen heiraten, ganz abgesehen von meinen kriminellen Handlungen in den vergangenen Monaten.«
»Ich kann heiraten, wen ich will, Ma’am«, erwiderte er scharf, »genau wie du auch.« Schweigend beobachtete er sie, aber ihre Miene war schwierig zu lesen. War das etwa Hoffnung? Oder schlichte Ungläubigkeit? Mit ausgestreckten Händen trat er einen Schritt auf sie zu. »Liebe überwindet alle Schwierigkeiten«, sagte er, »so heißt es doch, Alexandra. Du musst es nur zulassen.« Er ergriff ihre Hände, die kalt waren.
»Nun, was sagst du dazu?«, drängte er.
Es dauerte einen Moment, bis sie antwortete.
»Ich sage, dass du Luftschlösser baust«, erwiderte sie dann so leise, dass er es kaum hören konnte.
»Warum genießt du es nicht?« Er stupste sie ans Kinn und blickte ihr tief in die Augen. »Ich verspreche dir, dass es keine Luftschlösser sind. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dich zu heiraten. Mehr als alles andere, was ich mir jemals gewünscht habe.«
»Das wird dich ruinieren«, behauptete sie rundheraus.
Er schüttelte den Kopf. In seinen Augen funkelte ein kleines Lachen.
»Nein, keineswegs, meine Liebe. Es ist seltsam, aber genau das Gegenteil wird geschehen.«
»Wie das?« Verständnislos schaute sie ihn an.
Jetzt ließ er seinem Gelächter freien Lauf.
»Die Umstände hätten sich nicht besser verketten können. Kannst du dich an das erinnern, was ich dir von meinem perversen Onkel Bradley und seinem teuflischen Testament erzählt habe?«
Alex war ein wenig verwirrt. Sie konnte sich zwar erinnern, dass er etwas über einen Onkel erzählt hatte, hatte aber nicht weiter darüber nachgedacht, weil sie es nicht für besonders wichtig hielt. Was sollte ein Onkel der Blackwaters auch mit ihr und Peregrine zu tun haben?
»Mein Onkel Viscount Bradley besitzt einen enormes Vermögen. Er war ein reicher Geschäftsmann in Indien und im Fernen Osten und hat ein schier unglaubliches Vermögen angehäuft. Aber er ist auch geizig bis zur Boshaftigkeit, und er hat es sich in den Kopf gesetzt, sein Vermögen zu gleichen Teilen Sebastian, Blackwater und mir zu überlassen - unter einer Bedingung.«
Gebannt blickte Alexandra in seine tiefblauen Augen, die sie starr anschauten.
»Unter welcher Bedingung?«
»Dass wir alle drei eine gefallene Frau heiraten, um nicht noch deutlichere Worte zu finden.« Diesmal lachte er nur kurz und humorlos auf. »Soweit ich es begreife, steckt der Gedanke dahinter, dass Bradley die Familie zwingen will, Frauen an ihren heiligen Busen zu drücken, die weder Rang noch Ruf haben. Jasper und Sebastian haben Wege gefunden, diese Bedingung zu erfüllen. Aber falls es mir vor dem Tode unseres Onkels nicht gelingen sollte zu heiraten, wird keiner von uns das Erbe antreten. Das Teuflische daran ist, dass wir das Geld dringend brauchen, um die Familie aus dem Schlamassel zu ziehen, in dem sie steckt. Die Spielschulden unseres Vaters und allgemeine Verschwendung
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