Sinnliche Maskerade
die Schultern gegen den hässlichen Buckel.
Vor ihr lag die unangenehmste Aufgabe des Tages — Frühstück im Morgenzimmer. Mit ein bisschen Glück würde Lady Maude sich mit irgendeinem unwichtigen Desaster im Kinderzimmer beschäftigen; aber wenn sie Pech hatte, würde sie sich mit einem schwachen Tee und Toast an den Tisch zwängen müssen, immer bereit, sich einen ganzen Katalog von Beschwerden anzuhören, die die anscheinend geduldige Alexandra mit angemessenem Verständnis und mitfühlendem Gemurmel kommentierte, stets darauf achtend, die Grenzen nicht zu überschreiten, die das Verhältnis zwischen einer Angestellten und ihrem Dienstherrn bestimmten. Lady Maude hatte ein boshaftes Mundwerk, war aber nur allzu schnell dabei, eine Kränkung zu verspüren, wo es gar keine gegeben hatte, und nur allzu bereitwillig erfand sie Beleidigungen und Unfähigkeiten, wenn es ihr gerade in den Kram passte.
Sofern diese Frau auch nur eine Sekunde lang den Verdacht hatte, dass es mit dieser unscheinbaren Bibliothekarin mehr auf sich hatte, als ihr anzusehen war, dann würde sie forschen, fragen, nachbohren und verhören, bis Alex mit irgendeiner Information herausrückte, die die Lady zufriedenstellte. Sir Stephen zitterte aus Angst vor der schlechten Laune seiner Ehefrau, und wenn Lady Maude mit irgendeinem beliebigen Grund aufwar-tete, die Bibliothekarin ihres Ehemannes loszuwerden, würde er sich kaum widersetzen können. Und das wäre noch der günstigste Verlauf, falls die Sache schiefging. Über den ungünstigsten wollte Alex gar nicht nachdenken — dann nämlich würde der Vorwurf des Betrugs im Raum stehen, die erfundenen Referenzen, alles Mögliche, womit sie unweigerlich auf der falschen Seite des Gesetzes landen würde. Ein paar Fragen reichten aus, um das gesamte Netz ihrer Tricks und Tarnungen zu zerreißen, mit dem sie ihre Scharade aufrechterhielt. Die Folgen für Sylvia und für sie wären unabsehbar.
Kapitel 3
Peregrine schaute dem Lachs zu, der sich wie ein eleganter silbriger Blitz in der Luft bog, als er seinen vierten Fang an Land spulte. Der Strom, der aus dem Fluss gespeist wurde, barst förmlich vor Lachsen. Alle drei Blackwater-Brüder waren geübte Angler und hatten zahlreiche Sonnenauf- oder -Untergänge auf dem Familienanwesen in Northumberland schweigend, aber freundschaftlich beim Fliegenfischen verbracht. Erleichtert stellte Perry fest, dass sein derzeitiger Begleiter auch nicht besonders gesprächig war, sodass er im sanften Rhythmus des Auswerfens und Einholens der Angel in eine Art meditativer Trance gleiten konnte.
Wie so oft in diesen Tagen schweiften seine Gedanken zu Viscount Bradley, seinem Onkel, und dieser ärgerlichen Geschichte mit dessen Testament. Oder besser gesagt, zu dieser Testamentsklausel, die besagte, dass seine drei Neffen zu gleichen Teilen zu Erben eines riesigen Vermögens werden sollten. Peregrine spürte eine nur allzu vertraute Wut in sich aufkeimen, wann immer er an den alten Mann dachte, der zwar behauptete, im Sterben zu liegen, sich aber immer noch bestens darauf verstand, den Menschen in seiner Umgebung mit seinen boshaften Manipulationen das Leben zu vergällen.
Drei Brüder, drei Ehefrauen. Oberflächlich betrachtet eine vernünftige Sache. Man hätte glatt glauben können, dass Vis-count Bradley die Zukunft der Blackwaters zu sichern suchte, sofern man bereit war, darüber hinwegzusehen, dass gerade das Gegenteil passierte. Perrys Angelschnur zuckte; langsam holte er sie ein. Bradley hatte verkündet, dass diese drei Ehefrauen in mancher Hinsicht gefallen sein mussten ... mit einer unvorsichtigen Bewegung riss er seine Rute plötzlich hoch. Fluchend beobachtete er, wie der Fisch am Ende der Rute zappelte, sich aufbäumte und drehte und wieder im grünbraunen Wasser untertauchte.
Verdammter Bradley. Er zog die Schnur zu sich heran und stopfte einen neuen Köder auf den Haken. Schon der Gedanke an die verrückte Boshaftigkeit des Viscounts reichte aus, um ihn in seiner Konzentration zu stören. Irgendwie war es seinem Bruder leichter gefallen als ihm, die Sache zu akzeptieren. Jasper hatte natürlich recht, dass Bradley seine guten Gründe hatte, den prüden und pedantischen Krämerseelen der Familie Blackwater den Dreck der Gossen der Stadt unter die Nase zu reiben. Trotzdem war es ein Pakt mit dem Teufel. Vielleicht hatte er es darauf abgesehen, Rache zu üben an der Familie, und vielleicht war dies sogar berechtigt. Aber Bradley gab keinen
Weitere Kostenlose Bücher