Sinnliche Maskerade
drang. Sein Blick hatte eine Intensität angenommen, der die Augen noch blauer schimmern ließ, und sein Mund war ernst und lächelnd zugleich.
»Vertrauen Sie mir«, wiederholte er weich. »Was hat Sie in dieses Spiel gezwungen?«
Sylvia lauschte in der Halle, stellte plötzlich fest, dass sie den Atem anhielt, und machte einen Schritt zur geöffneten Tür. Es war, als würde das Fenster einen Rahmen um das Paar bilden, während die Welle der Gefühle, die zwischen ihnen hin und her flutete, so stark war, dass man sie beinahe mit Händen greifen konnte. Sie hatte den Eindruck, dass ihre Schwester irgendwie durcheinander aussah, fast schon geängstigt, bis Alex sich abrupt aus Peregrines Griff riss und von ihm abrückte. Ihr Blick fiel auf Sylvia im Flur.
»Oh Sylvia. Bringt Matty uns ein paar Erfrischungen?« Sowohl in ihren eigenen Ohren als auch in denen ihrer Schwester klang ihre Stimme merkwürdig.
»Ja, einen Krug Apfelwein. Wir pressen unsere Äpfel selbst, Mr. Sullivan«, sagte Sylvia und trat vollkommen selbstbeherrscht in den Salon. »Aber ich sollte Sie trotzdem warnen, der Apfelwein ist fast so stark wie der trübe aus Somerset.«
»Aye, das stimmt, Sir«, bekräftigte Matty und trat mit Steinkrug und Apfelkuchen in den Salon. »Wir haben hier nur selten Gentlemen zu Besuch«, bemerkte sie, stellte ihre Bürde auf dem Tischchen ab und holte drei Zinnbecher vom Regal auf der anderen Seite des Salons.
Während sie einschenkte, redete sie die ganze Zeit.
»Mistress Sylvia, du machst jetzt mal langsam. Und du auch, Mistress Alexandra. Ich will nicht, dass euch das zu Kopfe steigt, so anfällig, wie ihr zarten Dinger seid.« Sie reichte Peregrine den
Becher. »Ich fürchte, dass nicht oft jemand auf einen Wein zu Besuch kommt, Sir. Das Dorfleben ist nicht so raffiniert und ausgesucht, wie Sie es wahrscheinlich gewohnt sind. Aber ich hoffe, dass unser Wein Ihren Geschmack genau trifft.«
»Da bin ich mir ganz sicher. Danke.« Lächelnd griff Peregrine nach dem Becher.
Matty nickte und warf den Schwestern einen betonten Blick zu.
»Denkt dran, langsam«, sagte sie und überließ sie ihrem Besuch.
Sylvia nippte nur kurz und stellte den Becher ab. Sie setzte sich auf den niedrigen Stuhl am Kamin und griff nach ihrem Stickrahmen. Das Gespräch wollte sie ihrer Schwester überlassen, die beiden aber im Blick behalten. Denn es steckte mehr in der Situation, als man mit bloßem Auge erkennen konnte. Viel mehr.
»Nun«, begann Peregrine wieder, »wollen Sie mir Ihre Geschichte erzählen?«
»Warum nicht«, sorgfältig wählte Alexandra ihre Worte, »es ist ganz einfach. Unser Vater hat sein Vermögen verspielt und uns nahezu bettelarm zurückgelassen. Eine von uns brauchte eine Anstellung. Und als ich Sir Stephens Annonce entdeckte, dass er eine Bibliothekarin suchte, die seine Sammlung katalogisiert, habe ich mich beworben. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass er mich ernst nimmt, so wie ich bin. So jung und sichtlich unerfahren.« Sie öffnete ihre Hände zu einer ausdrucksstarken Geste. »Schließlich sehe ich nicht so aus, als würde ich ein kostbares Werk von einem anderen unterscheiden können, oder?«
Peregrine senkte zustimmend den Kopf.
»Ich verstehe.«
»Also haben Sylvia und ich eine Verkleidung für mich erfunden. Es hat so gut funktioniert, dass Sir Stephen mich auf der Stelle eingestellt hat. Den Rest kennen Sie.« Sie zuckte mit den Schultern und trank einen Schluck Apfelwein.
»Und wann kam das Konvikt St. Catherines für junge Ladys ins Spiel?« Die Frage war riskant, und er behielt sie genau im Blick.
Alex warf ihrer Schwester, die den Kopf ebenfalls hochgerissen hatte, einen erschrockenen Blick zu.
»Was wissen Sie über das St. Catherines?«
»Nichts. Der Mietstallbesitzer hat es erwähnt, und ich kann eins und eins zusammenzählen. Habe ich in die Zwei getroffen?«
Ausweichen ist sinnlos, überlegte Alexandra. Außerdem musste sie ihn davon abhalten, sich selbst über das Konvikt zu erkundigen, und das war nur möglich, wenn sie ihm ein paar Brocken Wahrheit anbot.
»Ja, das haben Sie. Mehrere Jahre habe ich dort verbracht. So lange, bis es kein Geld mehr für die Gebühren gab.«
»Es sieht danach aus, als hätten Sie eine höchst ungewöhnliche Erziehung genossen«, bemerkte er. Sie machte ihm durchaus Angebote, aber trotzdem war er überzeugt, dass sie ihm nicht die volle Wahrheit auftischte.
»Nur weil es mir Freude bereitet hat«, gab sie zurück, »aber
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