Sinnliche Maskerade
dicht ist es. Zum Tresen muss man sich dann richtig durchquetschen.« Der Wirt strahlte vor Zufriedenheit und schob ein herzhaftes Stück Fleischpastete und eine dicke Scheibe Schinken zu Perry hinüber. Anschließend schnitt er einen Kanten Weizenbrot von dem Laib ab, der am Ende des Tresens lag, und spießte ihn mit der Messerspitze auf.
»Danke.« Perry nahm den Kanten und legte ihn auf seinen Teller. »Nun, mir ist zu Ohren gekommen, dass es hier in der Gegend ein Konvikt für junge Ladys geben soll.«
»Oh ja, Sir. Sie meinen bestimmt St. Catherines.« Der Mann lehnte sich bequem an den Tresen und machte sich bereit zu einer Plauderei. »Mistress Simmons ist die Vorsteherin. Eine echte Lady. An den Markttagen sehen wir sie manchmal, aber meistens kommt sie in der Woche mit Mr. Buxton, um ihre Geschäfte zu erledigen. Das ist der Anwalt, der die Bankgeschäfte für die Leute hier in der Gegend besorgt. Und manchmal, wenn eines ihrer Mädchen krank ist, geht der Doktor zu ihr raus. Versäumt nie einen Zahltag. Nein, das macht Mistress Simmons nicht.«
»Wirklich vorbildlich«, murmelte Peregrine. »Können Sie sich an eine Mistress Hathaway erinnern, die ein paar Jahre lang dort Schülerin gewesen ist?«
Der Wirt schüttelte den Kopf.
»Nicht dass ich wüsste, Sir. Aber wir hier in der Stadt kennen die jungen Ladys nicht. Hin und wieder suchen sie Mistress Collins auf, die Putzmacherin. Aber zu uns kommen sie niemals rein.«
»Nein, natürlich nicht.« Peregrine schnitt ein Stück vom Schinken ab, während er sich seine nächste Frage überlegte. Denn ihn beschlich der Eindruck, dass der Wirt sich abrupt zurückziehen würde, sobald seine Fragen zu forschend, zu genau wurden. Im Großen und Ganzen sprachen die Menschen auf dem Lande nicht gern mit Fremden über ihre Angelegenheiten. »Drüben in Barton habe ich mich vorhin mit Mistress Matty unterhalten. Sie hatte das Konvikt erwähnt, weshalb ich interessiert war. Die Gegend ist ziemlich abgelegen für solch eine Einrichtung.«
»Oh, da habe ich keine Ahnung, Sir. Die Luft hier ist sauber und gut. Wir haben die See und den Wald. Für uns ist es ein Stück Himmel auf Erden.«
Der Wirt ging ein paar Schritte am Tresen hinunter. Peregrine beendete seine Mahlzeit, trank seinen Krug leer und verließ die Gaststube.
Bis zu Alexandras Rückkehr am Abend gab es für ihn nichts zu tun ... es sei denn, er stellte im Konvikt ein paar Fragen. Vielleicht konnte Mistress Simmons ein kleines Licht auf das Geheimnis werfen. Denn wenn er Alexandra wirklich helfen wollte, musste er der Sache auf den Grund gehen, mit oder ohne ihr Einverständnis. Aber warum nur war er so begierig darauf, einer störrischen, verzweifelten und verdrehten jungen Frau zu helfen? Eigentlich brauchte er sich diese Frage gar nicht zu stellen. Noch nie war ihm eine Frau wie sie begegnet; sie zog ihn an wie ein Magnet. Jede Facette von ihr wollte er kennenIernen. Ihre Gesellschaft fand er ungemein anregend, und er konnte sich nicht vorstellen, dass sich das jemals ändern würde. Das, was er trotz der Tricks und Täuschungen von ihr hatte erhaschen können, hatte ihn ungemein fasziniert. Ja, es hatte ihn so sehr fasziniert, dass er das Gefühl nicht loswurde, sie seien irgendwie füreinander geschaffen.
Das mochte vielleicht unvernünftig klingen. Und normalerweise verhielt er sich nicht unvernünftig. Doch jetzt schien er nichts anderes tun zu können, als ungeachtet ihres Widerstands mit diesem drängenden Verlangen in seiner Verfolgung nicht nachzulassen. Obwohl er die besten Absichten hatte, schien sein Weg ihn nur ins Chaos zu führen. Und doch, sein Herz sang und sein Geist tanzte angesichts der Aussicht auf solch ein Chaos.
Der Bursche führte Sam in den Hof, und Perry schwang sich in den Sattel.
»Wo finde ich das Konvikt St. Catherines?«
»Oh, da müssen Sie nach Barton und dann wieder raus, Sir. Vielleicht ’ne Meile außerhalb des Dorfes. Nehmen Sie die Küstenstraße, da lang ...«, der ältliche Stallbursche gestikulierte in Richtung High Street, »dann kommen Sie links nach zwei Meilen zum Reitweg. Das Haus sehen Sie oben auf der Klippe. Großes, graues Haus, können Sie gar nicht verfehlen.«
»Danke.« Perry lenkte Sam aus dem Hof und die Straße hinauf fort vom Hafen. Die sandige Straße, die parallel zu den Klippen verlief, und das graugrüne Wasser des Solent erstreckten sich bis zur Isle of Wight. Es war ein wolkenverhangener Tag. Der Wind blies scharf, und der erste
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