Sinnliche Traeume auf Kyrene
eiskalt. Wie es schien, war Thomas Forrester dabei, nach Kyrene zu segeln, zweifellos, um seine Rachepläne gegen Sir Gawain Olwen und die Wächter in die Tat umzusetzen. Aber war Venus bei ihm? Das würde ihr Verschwinden erklären.
Thorne musterte Birkin aus schmalen Augen. „Sag mir, wann genau hast du Forrester das letzte Mal gesehen?“
„Donnerstag. Irgendwann am Nachmittag.“
Thorne durfte jetzt keine Zeit mehr verlieren. Forrester war anscheinend Donnerstagnacht aufgebrochen und hatte also schon fünf Tage Vorsprung.
Fieberhaft überlegte Thorne. Zuerst musste er sich um Birkin und Finch kümmern, dafür sorgen, dass sie eingesperrt wurden, bis er sich mit ihnen beschäftigen konnte. Und wenn möglich, wollte er die Dienstlisten sämtlicher Londoner Schiffsagenten einsehen, um sich Sicherheit darüber zu verschaffen, welches Ziel Forrester ansteuerte.
Er musste seine Crew zusammentrommeln und befehlen, seinen Schoner so schnell wie möglich klarzumachen, was aber sicher nicht vor morgen Abend sein würde. Und er würde Diana nach Hause schicken müssen ...
Er erinnerte sich daran, dass sie da war, und schaute auf. Sie sah ihn voller Besorgnis an, und Thorne hegte die Befürchtung, dass von all seinen Aufgaben die letztgenannte die schwierigste sein würde.
Diana protestierte nicht, als Thorne sie zur Kutsche begleitete, die sie nach Hause bringen sollte, denn er versprach ihr, so bald wie möglich zu ihr zu kommen. Doch als er ihr beim Einsteigen half, gab Diana plötzlich ihrem Kutscher den Befehl, stattdessen zu Thornes Haus zu fahren.
„Ich denke, ich werde besser dort auf dich warten“, meinte sie mit süßem Lächeln und ignorierte Thornes wütende Blicke. Bis jetzt war sie geduldig und sanftmütig gewesen, aber nun war es an der Zeit, dass er damit aufhörte, sie unter dem Vorwand, sich um ihre Sicherheit zu sorgen, von allem fernzuhalten. Er musste ihr endlich sagen, was hier vor sich ging.
Thomes Majordomus und seine Diener hießen sie willkommen und machten es ihr im Salon bequem, doch ihre Erregung wollte nicht nachlassen.
Immer noch hatten sich ihre Nerven wegen der überstandenen Angst und der ganzen Aufregung, die dieser Tag gebracht hatte, nicht beruhigt.
Als sie die Schüsse und Schreie aus dem Innern des Hauses vernommen hatte, war sie trotz Thornes Verbot ausgestiegen. Sie hatte sich gerade der Eingangstreppe genähert, als dieses Scheusal von Birkin aus der Tür stürmte. Er war zu aufgeregt gewesen, um sie sofort zu bemerken, und so hatte sie instinktiv gehandelt, war ihm in den Weg getreten und hatte ihm ein Bein gestellt. Mit Befriedigung vernahm sie das dumpfe Geräusch, mit dem er zu Boden stürzte.
Als er versuchte, wieder auf die Füße zu kommen, hatte sie die Pistole gezogen. Offensichtlich traute er ihr zu, dass sie schießen würde, denn mit einem Mal wurde er ganz friedlich.
Doch die Sorge um Thorne hatte ihr weit mehr zugesetzt. Immer wieder sah sie die entsetzliche Szene vor sich, die sich ihren Augen geboten hatte, als sie ihrem Gefangenen ins Haus gefolgt war: Thorne, mit blutverschmiertem, zerschlagenem Gesicht, in einen wilden Kampf verstrickt. Und wie er dann seinem Gegner das Messer an die Kehle gesetzt hatte.
Sie hatte gewusst, dass er fähig war zur Gewalt, doch ihn jetzt so vor sich zu sehen, wie er wieder sein Leben riskierte, hatte sie bis ins Innerste aufgewühlt. Die Erleichterung, dass er relativ glimpflich davongekommen war, wog ihre Angst nicht auf. Sie machte sich nichts vor: Diese Männer und andere - wie es schien auch Venus’ Bruder - waren fest entschlossen, ihn zu töten.
Und es gab noch einen Grund für ihre Aufregung. Es ließ ihr keine Ruhe, dass Thorne sie über das, was hier vor sich ging, im Dunkeln ließ. Ihre Verzweiflung über Venus’ offenkundige Schuld wurde nur noch von ihrer Unwissenheit in Bezug auf die mörderischen Machenschaften dieses Thomas Forrester übertroffen.
Da war viel mehr im Spiel, als Thorne bis jetzt ihr gegenüber zugegeben hatte.
Es war fast zehn Uhr, als er zu ihr in den Salon kam. Er sah müde und verbittert aus und ging zu der Karaffe Brandy. Er schenkte sich ein großes Glas voll und ließ sich ihr gegenüber in den Lehnstuhl fallen.
Diana legte das Buch fort, in dem sie zu lesen versucht hatte, und wartete.
Thorne nahm einen großen Schluck. Dann schaute er sie an. „Also wo soll ich beginnen?“
Diana lächelte erleichtert, weil er ihre Not zu verstehen schien und sie nicht mühsam jede
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