Sinnliche Traeume auf Kyrene
verzweifelt an. „Es geht um Nathaniel ... Er wurde ... Er ...“
„Jetzt hol doch erst einmal Luft, Mann. Was ist denn mit Nathaniel?“
„Er ist... Gütiger Gott... Er ist tot.“
Im ersten Moment starrte der Viscount Carstairs nur verständnislos an. Thorne fühlte, wie sich Venus’ Finger in seine Schulter krallten.
Das muss ein Irrtum sein, dachte er benommen.
„Tot?“, wiederholte er mit einer Stimme, die ihm nicht zu gehören schien.
„Erstochen. In einer Gasse in der Nähe der St. James Street.“ Laurence verstummte. Er schluchzte. „Ein Raubüberfall, wie es scheint. Er liegt immer noch dort. Ich habe schon die Wache benachrichtigt... aber du solltest kommen,Thome.“
„Ja“, murmelte der und wankte leicht.
Für einen kurzen Moment fürchtete er, ohnmächtig zu werden. Er spürte, wie Venus ihn am Ellbogen fasste.
Immer noch betäubt schüttelte er ihre Hand ab und lief wie blind hinter Laurence her.
Die Kälte der Nacht durchdrang sofort den feinen Stoff seines Abendanzugs, doch Thorne bemerkte es kaum. Ein halbes Dutzend Häuserblocks später verließen sie St. James und gingen in eine dunkle, schmutzige Gasse.
Das Herz schlug ihm bis zum Hals, und unwillkürlich verlangsamte Thorne seine Schritte. Die Gasse stank nach fauligem Wasser und Abfall.
Vor sich konnte er das flackernde Licht einer Öllampe erkennen, die jemand emporhielt, während mehrere andere Personen sich um eine auf dem Rücken liegende Gestalt drängten.
Thome ging weiter, bis er neben dem regungslosen Körper stand. Er erkannte sofort die vertrauten Züge seines Freundes.
Vom Schock überwältigt sank er in die Knie.
Nathaniels Abendmantel stand offen, ebenso sein schwarzer Rock und seine Brokatweste. Die sonst weiße Hemdbrust war dunkel von Blut.
Mit zitternden Fingern tastete Thorne an Nathaniels Hals nach dem Puls.
„Er hat keinen Puls mehr“, murmelte irgendjemand.
Er hat keinen Puls mehr.
Gott im Himmel! Nathaniel sah so verdammt friedlich aus. Gerade so, als würde er sich nur nach einer durchzechten Nacht ausschlafen, wie er es so oft in früheren Tagen getan hatte, wenn sie durch die Wirtshäuser gezogen waren.
Thome ballte die Fäuste, während ein Schrei in seiner Kehle aufstieg, der ihn zu ersticken drohte.
„Was sollen wir mit der Leiche machen, Herr?“
Er konnte nicht antworten.
Er merkte, dass Laurence sich neben ihn kniete, und hörte ihn mit gepresster Stimme sagen: „Man muss es seiner Familie sagen. Gott ... seine Schwester wird verzweifelt sein.“
Thorne nickte vom Schmerz wie betäubt mit dem Kopf. Nathaniel hinterließ eine jüngere Schwester und eine Cousine.
Doch im Augenblick konnte er an keinen anderen Schmerz denken als an seinen eigenen, der zu groß schien, um ihn ertragen zu können.
1. KAPITEL
Die Insel Kyrene März 1815
Sie wünschte, sie könnte ihn malen. Sein nackter Körper, der sich gegen die türkisfarbene See im Hintergrund abhob, sah atemberaubend aus.
Diana Sheridan spürte, wie ihr Puls schneller ging, während sie gebannt auf Christopher Thorne blickte, der von Schaumkronen umspült dem Wasser entstieg.
Der sonnenüberflutete Strand am Fuße des Steilufers lag in einer der vielen kleinen Buchten, die entlang der malerisch zerklüfteten Küste zu finden waren. Der goldfarbene Sand, die weißen Felsen, die sich bis zu der endlosen, glitzernden Fläche des Mittelmeeres hinunterzogen ... und alles übergossen von blendendem Sonnenlicht - die Szene war wie geschaffen für ein Bild. Doch es war hauptsächlich der vom Wasser glänzende, sehr maskuline Körper dieses Mannes, der ihre Aufmerksamkeit erregte.
Unfähig, den Blick loszureißen, studierte sie seinen Körper. Sie bewunderte ihn - als Künstlerin und als Frau.
Bisher hatte sie noch nie einen völlig nackten Mann gesehen, noch hatte sie je einen gemalt. Ihr Wissen, was die Anatomie betraf, hatte sie sich durch das Kopieren von Bildern und Skizzen großer Maler sowie durch das Studium von Gipsabdrücken antiker Statuen erworben.
Selbst die großen Meister wären von solch einem Modell entzückt gewesen.
Sein tropfnasses Haar besaß die Farbe von dunklem Gold. Das gekräuselte Haar auf seiner breiten Brust zog sich in einer schmalen Linie bis zu den Lenden hinunter, um dann in einem Gewirr dunkler Locken zu verschwinden. Er bewegte sich mit der Grazie eines Löwen, als er jetzt über den schmalen Strand schritt und sich auf ein ausgebreitetes Leintuch fallen ließ.
Wie gebannt stand Diana
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