Sinnlicher Maskenball in Venedig
gelegentlichen Besuchen zufriedengeben? Womöglich nur dann, wenn es dir passt? Außerdem hätte dein Bruder sicher zu verhindern gewusst, dass ich überhaupt ein Besuchsrecht habe.“
Tina wollte es abstreiten, doch im Grunde hatte er recht. Auch wenn sie alles dafür getan hätte, dass er sein Kind sehen durfte, egal, was Renzo wollte.
„Ich weiß es nicht“, antwortete sie und seufzte. „Ich hatte jedenfalls nicht geglaubt, du würdest dich für das Kind interessieren. Ich hatte es natürlich gehofft, es allerdings nicht erwartet.“
„Eigentlich würde ich jetzt fragen, wie du zu dieser Annahme kommst, aber ich glaube, ich weiß es bereits.“
Sie wussten es beide. Während der letzten Jahre war er wegen seiner Frauengeschichten immer wieder in den Zeitschriften abgebildet gewesen.
„Tja, du bist nicht gerade bekannt für deine festen Beziehungen.“
„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Beziehungen sowieso nicht lange halten.“
Seine Worte gaben ihr einen Stich. „Ist das deine persönliche Erfahrung, oder hast du das beobachtet?“
Einen Moment lang wirkte er unsicher. Dann wurde sein Gesichtsausdruck wieder hart. „Meine Eltern haben meine Ansichten über Beziehungen ziemlich beeinflusst, würde ich sagen.“
„Deine Eltern sind aber bloß zwei Menschen“, erklärte Tina. „Sie repräsentieren nicht den Rest der Menschheit.“ Sie wollte gar nicht wissen, wie er über ihre Beziehung dachte.
Nico schüttelte den Kopf. „Trotzdem. Ich bin mit ihnen aufgewachsen. Sie hätten sich vor Jahren scheiden lassen sollen, aber sie sind einfach zusammengeblieben und haben sich gegenseitig unglücklich gemacht.“
„Und dich auch“, fügte sie sanft hinzu und warf ihm einen mitfühlenden Blick zu.
Sie hatte erwartet, dass er wieder wütend werden würde, doch er strich sich nur mit den Händen übers Gesicht.
„Ja. Sie haben mich unglücklich gemacht. Und sie tun es immer noch.“
„Warum hast du mich geheiratet, Nico?“ Sie musste diese Frage stellen. Jetzt, nachdem er ihr von der Ehe seiner Eltern erzählt hatte.
Nico wandte den Blick ab. Als könnte er ihr in diesem Moment nicht in die Augen sehen.
„Du weißt, warum.“
„Ja, ich glaube schon. Aber wie geht es weiter, wenn das Baby auf der Welt ist?“
Er zuckte die Schultern. „Da denken wir jetzt nicht drüber nach, Tina. Ich kann dir nur versprechen, dafür zu sorgen, dass sich dieses Kind niemals so fühlen wird, wie ich mich gefühlt habe. Wir schaffen das schon irgendwie. Und wir werden viel bessere Eltern sein als meine Eltern.“
Ihr Herz raste. Endlich sprach er mit ihr. „Schön, dass du mir das sagst. Und ich glaube, ich verstehe dich jetzt.“
„Was verstehst du?“
Verlegen zuckte sie die Schultern. „Du hast damals so unbehaglich gewirkt, als Giuseppe dir zum Tod deines Vaters sein Beileid ausgesprochen hat. Und als ich es getan habe, hast du auch irgendwie komisch reagiert.“
Nico schwieg einen Moment und sah sie bloß an. In seinen Augen standen Tränen. „Ich habe ihn gehasst“, gestand er leise. „Es war nicht immer so. Als kleiner Junge habe ich ihn angebetet und immer um seine Aufmerksamkeit gebuhlt. Und als ich älter wurde, war ich immer auf seiner Seite, wenn er Streit mit meiner Mutter hatte. Sie war immer so … so zickig und boshaft, während er so vernünftig und kontrolliert schien. Irgendwann wurde mir dann aber klar, dass er eigentlich nur sich selbst liebte. Dass ihm andere Menschen egal waren.“
Tina griff nach seiner Hand und drückte sie. „Das tut mir so leid, Nico.“
Sie war überrascht, dass er seine Hand nicht wegzog. Stattdessen umfasste er ihre auch mit der anderen und streichelte sie.
„Ich habe immer das gewollt, was du hattest“, stieß er unter Tränen hervor. „Ich bin so oft zu euch gekommen, weil ich ein Teil eurer Familie sein wollte. Deine Mutter ist so unglaublich liebevoll und tolerant. Ich habe immer so gern mit euch am Küchentisch gesessen und Abendbrot gegessen. Im Nachhinein kommt es mir vor, als wäre es das einzig Echte gewesen, was ich je in meinem Leben hatte.“
„Und ich fand es immer schön, wenn du da warst“, gab sie zu. „Ich glaube, es ging uns allen so. Renzo hat zu dir aufgeblickt wie zu einem Bruder.“
Nico zog die Hände weg, und sie bereute ihre Worte sofort. Aber es war schließlich die Wahrheit. Er und Renzo hatten sich so nahegestanden. Und nun waren sie erbitterte Feinde.
„Das war vor sehr langer Zeit“, sagte er steif. Seine
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