Sinnlicher Maskenball in Venedig
als wäre es der abwegigste Gedanke überhaupt. „Ich bin schwanger, aber nicht vollkommen naiv.“
Lucia stocherte in ihrem Salat herum. Plötzlich hellte sich ihre Miene auf.
„Ach du meine Güte, dann bist du ja jetzt eine Marchesa! Stell dir mal vor, was die Mädels im Internat gesagt hätten. Das hätte damals wohl nie jemand gedacht.“
Tina lachte und stimmte zu.
„Ich kann auch gar nicht fassen, dass du Mutter wirst“, fuhr Lucia aufgeregt fort. „Hast du Angst?“
Tina überlegte einen Moment. Dann schüttelte sie den Kopf. „Nein, eigentlich nicht besonders. Ich bin mittlerweile ganz gut informiert über das Thema Schwangerschaft und Geburt.“
Sie musste daran denken, wie Nico an ihrem ersten Morgen in Rom mit seinem Laptop im Bett gesessen und ihr die Seite für Schwangere gezeigt hatte. Mit leuchtenden Augen hatte er richtig aufgeregt gewirkt. Sie sprachen zwar nie über Gefühle, aber irgendetwas musste er doch empfinden, oder nicht?
„Wann wirst du es deiner Mutter und Renzo sagen?“, fragte Lucia und unterbrach ihre Gedanken. „Sie haben ein Recht, es zu erfahren.“
Tina lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und seufzte. „Ich weiß.“
Sie wunderte sich ohnehin, dass die Paparazzi noch nicht davon Wind bekommen hatten. Es würde sicher nicht mehr lange dauern, und ihre Geschichte wäre für jedermann in den Klatschzeitungen zu lesen. Sie musste es ihrer Familie langsam erzählen.
Nach dem Essen gingen sie und Lucia noch ein wenig einkaufen, dann verabschiedete Tina sich und stieg in die Limousine, die auf sie wartete. Nico hatte darauf bestanden, dass sie sich, solange sie sich in Rom befanden, überall von seinem Fahrer hinbringen ließ. Sie wurde sogar von zwei Bodyguards begleitet, was sie ziemlich lächerlich fand. Zum Glück hielten diese sich so diskret im Hintergrund, dass Lucia es nicht einmal mitbekam. Sie hatte es ihr nicht gesagt, weil es ihr irgendwie unangenehm war.
Jetzt war Tina froh, wieder ins Apartment zurückkehren zu können. Sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie jetzt viel lieber auf der Insel wäre, denn sie vermisste den hübschen Garten und die Ruhe. Am liebsten würde sie jetzt in der Gartenlaube liegen und vor sich hin träumen.
Und ihr Aktienportfolio checken. Es war immer so unglaublich spannend, nachzusehen, ob sie einen erfolgreichen Handel durchgeführt hatte. Verdammt, Zahlen und Kalkulationen lagen ihr einfach! Und Renzo hatte keine Ahnung, wie klug seine kleine Schwester war. Selbst wenn er es wüsste, würde sein Stolz es nie zulassen, dass er eine Frau aus seiner Familie für sich arbeiten ließ.
Als Tina das Apartment betrat, hörte sie Nicos Stimme aus dem Büro. Er klang, als würde er gerade mit jemandem streiten. Sie zögerte einen Moment, nicht sicher, ob sie besser wieder gehen oder ob sich bemerkbar machen sollte.
Doch der Klang seiner wütenden Stimme mit dem verzweifelten Unterton ließ sie aufhorchen und näher an das Büro heranschleichen. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie wollte eigentlich nicht heimlich lauschen.
Plötzlich hörte sie eine aufgeregte Frauenstimme. Die Unbekannte drückte sich gewählt aus, aber es war nicht zu überhören, dass auch sie furchtbar aufgebracht war. Erst jetzt merkte Tina, dass Nico nur sein Telefon laut geschaltet hatte.
„Du bist ein undankbarer Sohn, Niccolo, weißt du das?“, schrie die Frau. „Du bist wie dein Vater! Und du warst immer auf seiner Seite!“
„War ich überhaupt nicht“, grollte Nico. „Ich war ein Kind. Ich hatte keine Ahnung, was richtig oder falsch war. Aber eins wusste ich ganz sicher. Keiner von euch beiden hat mich gewollt!“
„Es war schwierig“, sagte seine Mutter nach langem Schweigen. „Wir haben uns zusammengerissen, bis du in die Schule kamst. Danach konnten wir nicht mehr.“
„Ja, und wenn ich dich angefleht habe, nach Hause kommen zu dürfen, dann hattest du nie Zeit für mich. Du warst ständig auf Reisen oder musstest dringend in dein albernes Spa. Mal ganz ehrlich, wie schwierig war dein Leben wirklich, Mutter?“
Ihr Herz krampfte sich zusammen, als Tina seine verbitterten Worte hörte. Der kleine Junge, der er einmal gewesen war, tat ihr furchtbar leid. Wie grausam diese Frau war!
„Es war wirklich nicht einfach“, verteidigte sie sich. „Ich musste die Eskapaden deines Vaters jahrelang ertragen. Die ständigen Demütigungen. Und jetzt muss ich dich auch noch um Geld anbetteln. Ich ertrage das alles nicht mehr“, schluchzte
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