Sinnliches Erwachen
weiß, wo er ist“, sagte Zacharel. Seine ersten Worte, seit das Ganze seinen Lauf genommen hatte.
Nicola fuhr zu ihm herum. „Was?! Warum hast du mir das nicht gesagt? Wo ist er? Was ist passiert?“
„Es gab nichts, was du hättest unternehmen können. Du hättest ihm nur geschadet. Und meine Aufmerksamkeit wurde und wird woanders benötigt, wo ich etwas bewirken kann. Noch einer meiner Krieger wird vermisst, und seine Freunde stehen kurz vor dem Zusammenbruch.“
„Aber …“, setzte Nicola an.
„Das mit Koldo stimmt“, schnitt Clerici ihr das Wort ab. Schon wieder. „Keinem Gesandten, der bei seinem Streben nach dem Wasser des Lebens ausgepeitscht wurde, darf geholfen werden, bis seine Wunden vollständig verheilt sind.“
„Das ist doch Irrsinn!“, keuchte sie.
„Das sehe ich ebenso. Ich habe versucht, den Rat zu bewegen, diese Tradition zu verwerfen, aber sie bestehen einfach darauf, alles so weiterzuführen, wie Germanus es getan hat. Aber ich werde weiter auf sie einwirken. Bis ich jedoch Erfolg habe, bedeutet es für jeden, der Koldo hilft, dieselben Qualen, die er im Augenblick erleidet.“ Er wandte sich an Zacharel. „Für jeden außer ihr. Sie darf Koldo helfen. Sie ist seine andere Hälfte, eine Erweiterung seiner Existenz. Was auch immer sie tut, um ihm zu helfen, wird sein, als hätte er es selbst getan.“
An Zacharels Kiefer zuckte ein Muskel. „Sie zu ihm zu bringen würde für mich den Tod bedeuten, denn ich darf nicht gegen die Nefas kämpfen. Ich bin nicht an diesen Krieger gebunden, deshalb wird alles, was ich seinetwegen unternehme, als Hilfe bewertet werden.“
„Ich weiß. Aber ihr kannst du Hilfe und Unterstützung gewähren.“
Wie elektrisiert straffte Zacharel die Schultern, als hätte er soeben eine erstaunliche Erleuchtung gehabt. „Das stimmt.“
Also … konnten er und seine Männer den Bösen kein Haar krümmen, solange sie nicht Nicola bedrohten? Anderenfalls würden sie Koldo helfen. Aber ihr konnten sie helfen, obwohl sie Koldos andere Hälfte war, weil sie auch zur Hälfte … na ja, eben Nicola war. Hatte es je etwas Verwirrenderes gegeben?
Clerici neigte den Kopf und musterte sie erneut. „Bist du bereit für den Kampf, Nicola?“
Für den Mann, den sie liebte? „Das bin ich.“
„Koldo wird aufgebracht sein, wenn ihr etwas geschieht“, warnte Zacharel.
„Lieber aufgebracht als tot“, entgegnete sie – und wer hätte das gedacht? Niemand war ihr ins Wort gefallen.
Clerici strich ihr mit den Fingerknöcheln über die Wange, eine fast unmerkliche Liebkosung. „Mir gefällt deine Art zu denken, Kriegerin. Und jetzt los, hol dir deinen Ehemann zurück.“
36. KAPITEL
Selbst das kleinste Licht kann wachsen, bis keine Finsternis mehr bleibt.
Nie zuvor war Nicola in den Krieg gezogen. Na ja, jedenfalls nicht in der natürlichen Welt, wo sie tatsächlich körperlich kämpfen musste. Doch selbst wenn – nichts hätte sie auf das hier vorbereiten können.
Zacharel flog mit ihr auf ein Gebäude zu, das in … Sie war sich nicht sicher, wo sie sich befanden. Dicht an dicht reihten sich Industriehallen, es gab eine Brücke, Wasser, schwarze Vögel, wohin man nur sah, und die Luft war eisig kalt und feucht. Mit ihnen flogen um die fünfzehn Soldaten durch die Nacht, und, oh, war das ein majestätischer Anblick.
Es war dunkel, der Mond stand hoch am Himmel, Sterne funkelten herab. Auf geheimnisvolle Weise hatten die Gesandten ihre Flügel schwarz gefärbt, mit winzigen diamantenen Lichtern zwischen den Federn, sodass die langen Gliedmaßen perfekt mit dem Nachthimmel verschmolzen.
Zur Linken konnte sie gerade so Jamilas schönes Gesicht erkennen. In ihren Augen glomm Furcht, aber auch ein Hauch von Erregung. Meine Kollegin ist eine Gesandte, und ich hatte keinen Schimmer. Und was war das für ein Geräusch? Das … Rasseln einer Klapperschlange? Das Rascheln von ungemähtem Gras? Das Zischen eines Tiers, das sich bedroht fühlte?
„Nagas“, informierte Zacharel sie. „Wie du sicher weißt, ist diese Art von Dämonen fast so bösartig wie die Nefas, und sie sind giftig für alles, was lebt. Sie ernähren sich von Zerstörung.“
Die Nefas waren schlimmer, und Koldo war mit einem verwandt. Und doch, was hatte er nicht alles getan, um sich von seiner Herkunft und seiner Vergangenheit zu lösen. Es mochte sein, dass er ins Böse hineingeboren worden war, aber er hatte sich daraus befreit, gehörte nicht länger dazu.
Jadegrüne Augen fixierten
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