Sinnliches Erwachen
ebenfalls Engel, wohnte Thane hier, und Koldo war sich nicht sicher, wie es möglich war, dass man ihnen ihren Status als Himmelsgesandte noch nicht aberkannt hatte. Doch mittlerweile wusste er jedenfalls, warum sie zu Zacharel versetzt worden waren. Nicht nur, dass sie jede Nacht eine andere Frau benutzten – sie griffen auch mit brutaler Entschlossenheit jeden an, der sie verärgerte. Und diese Männer verärgerte so gut wie jeder, der ihnen begegnete.
Jetzt saßen die drei mit ihm zurückgezogen in einer dunklen Ecke der Bar. Unsterbliche der verschiedensten Rassen spazierten umher, tranken und tanzten, ließen ihre Hände wandern. Von den Unruhe stiftenden Harpyien bis zu den grausamen Phönixen – und alles dazwischen. Vampire, Gestaltwandler, Fae und unzählige andere.
Schlangen-Gestaltwandler galten als die Gefährlichsten, dicht gefolgt von denPhönixen. Doch die Rasse, die sie alle übertraf? Die Rasse, die niemand je bedachte, weil alle lieber so taten, als wäre sie lediglich ein Albtraum? Die Nefas.
Koldo war heilfroh, dass niemand wusste, wer sein Vater war. Und erst recht, dass es auch niemals jemand erfahren würde. Selbst die Gesandten, von denen er vor all den Jahrhunderten aus dem Lager gerettet worden war, hatten keine Ahnung von seiner Herkunft.
„Amüsierst du dich?“, fragte Thane.
„Warum bin ich hier?“, verlangte er zu wissen.
Der andere Krieger kippte einen Wodka hinunter. „Sind wir das nicht schon zur Genüge durchgegangen? Weil Zacharel uns befohlen hat, zusammenzubleiben, und ich mich weigere, in einem von deinen Löchern zu wohnen.“
Koldos Frustration erreichte einen neuen Höhepunkt. Jetzt sollte er also rund um die Uhr einen Babysitter haben? Oh nein. Definitiv nicht. Das würde er nicht mit sich machen lassen. Es würde etwas geschehen müssen. „Was ist mit unserer Mission? Die, die du mir nicht erklären konntest? Die du mir zeigen musstest?“
„Ich hab nie gesagt, es gäbe eine Mission.“
Ich darf auf keinen Fall einen Gesandten töten.
„Aber wenn ich dir erzählt hätte, ich wollte, dass du mit zu mir kommst und es dir gut gehen lässt“, fuhr Thane fort, „dann hättest du gesagt …“
„Nein.“ Niemals.
„Womit wir den Grund hätten, aus dem ich impliziert habe, es gäbe eine Mission.“
Koldo hieb mit der Faust auf den Tisch und erntete mehrere Was-ist-denn-mit-dem-wütenden-Raubtier-los-Blicke von den Gästen in der Nähe.
Er richtete den Blick auf Björn, der rechts von Thane saß. „Ist der immer so hinterhältig?“
„Bist du immer so neugierig?“, kam die frustrierende Antwort.
Björn hatte dunkles Haar und tief gebräunte Haut, die mit demselben Gold marmoriert war, das sich auch durch seine Flügel zog. Seine Augen waren ein regelrechter Regenbogen von Farben, vom blassesten Blau bis zum dunkelsten Grün, gemischt mit Schattierungen von Rosa und Lila.
Sein Name war das schwedische Wort für „Bär“. Und auch das passte perfekt.
Mit zusammengebissenen Zähnen sah Koldo zu Xerxes hinüber.
Xerxes , nach dem persischen Wort für „König“. Der Mann hatte langes weißes Haar, gebändigt mithilfe eines juwelenbesetzten Reifs. Seine Haut war milchweiß und übersät von sich kreuzenden Narben, ein unregelmäßiges Muster von immer wiederkehrenden Dreiergruppen. Das allein machte ihn schon faszinierend, aber womit er wirklich die Aufmerksamkeit auf sich zog, waren seine Augen. Die Iris waren leuchtend rubinrot, und in ihren Tiefen glühte ein unendlicher Zorn, mit dem nur wenige es aufnehmen konnten..
Einer der wenigen bin ich.
„Sind die immer so rätselhaft?“, wollte Koldo von ihm wissen.
„Bist du immer so nervig?“
Alle drei Männer lachten ob ihrer eigenen albernen Wortspielereien in sich hinein.
Koldo weigerte sich, sie um ihre Freundschaft oder um ihre vollkommene Gelassenheit im Umgang miteinander zu beneiden. Er hatte gehört, dass sie einander in einer Dämonenfestung begegnet waren, als man sie dort als Gefangene festgehalten hatte – und gefoltert. In seinen Jahren der Seelenqual hatte er niemanden gehabt, vielleicht war das auch der Grund, dass er heute ein Leben in Einsamkeit vorzog. Je weniger Leute seine Geheimnisse kannten, desto unwahrscheinlicher war es, dass ihn jemand verraten würde.
„Ich hab dir unzählige schöne Frauen vorgestellt, in der Hoffnung, eine von ihnenkönnte dir etwas Unterhaltung bieten – und dich mir vom Hals schaffen“, sagte Thane und kippte einen weiteren Wodka hinunter.
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