Sinnliches Erwachen
weißt du, wie ein Bordell riecht?“
„Also gut. Du riechst so, wie ich mir den Geruch in einem Bordell vorstelle. Nach Zigaretten und Alkohol und sich beißenden Parfüms.“
„Ich bitte um Verzeihung.“ Zu guter Letzt drang auch der erste Teil ihrer Aussage zu ihm durch. Letztes Mal hatte sie seinen Geruch wundervoll gefunden.
Sein Körper versteifte sich, genau wie zuvor. Aber er spürte keinerlei Drang, jemandem Schmerzen zuzufügen … Er wollte sie nur berühren, ihr Trost schenken und – er war sich nicht sicher.
Das Piepsen des Monitors wurde noch schneller.
Sachte strich Nicola mit den Fingern über die Hand ihrer Schwester, dann hörte sie auf. Hörte einfach auf, als sei die kleine Geste zu viel für sie.
Wie viel Kraft hatte sie seit seinem letzten Besuch verloren?
Das Ausmaß war egal, die Antwort lautete in jedem Fall gleich. Zu viel!
„Was bist du eigentlich?“, fragte sie fast abwesend.
„Das hast du noch nicht selbst herausgefunden?“
„Nein. Wie sollte ich?“
„Es gibt viele Wege.“
„Sag mir einen.“
„Ganz einfach. Durch einen empfindsamen Geist.“
Erschöpft stieß sie den Atem aus. „Alles, was ich weiß, ist, dass du kein Mensch bist.“
„Richtig.“
„Also, warum sagst du’s mir nicht einfach?“
„Würdest du mir glauben?“ Wenn er zugäbe, dass er ein Gesandter war, hätte sie vielleicht keine Ahnung, was das war. Wenn er das Wort Engel benutzte, könnte sie bestimmte Erwartungen hegen, die er nicht würde erfüllen können. „Darüber können wir später reden. Fürs Erste lass mich doch deiner Schwester helfen.“
Augenblicklich wünschte er sich, er könnte die Worte zurücknehmen, aber würde er es tun? Nein. Er hatte es gesagt. Diese Suppe würde er auslöffeln.
Ihre Augen weiteten sich und wurden wild und turbulent wie ein stürmischer Winterhimmel. „Wie?“
„Ich … kann ihr ein wenig Zeit verschaffen. Sie wird stärker werden und aufwachen, aber ich glaube nicht, dass sie länger als ein paar Wochen überlebt“, fügte er schnell hinzu. Lailas Körper musste bis obenhin voll sein mit Dämonengift. Und nicht nur das – sie würde weiterhin weder eine äußerliche noch eine innere Abwehr gegen die Dämonen besitzen. Abwehrmechanismen, die sie erst erlernen müsste. Wozu ihr vielleicht nicht genügend Zeit bliebe.
„Ein paar Wochen“, wiederholte Nicola.
„Viel ist es nicht, ich weiß, aber …“
„Tu es!“, fuhr sie dazwischen, als hätte sie Angst, er würde es sich anders überlegen.
So begierig auf eine so dürftige Hoffnung. „Aber du kennst doch meine Bedingungen noch gar nicht.“
Ihr schöner Mund wurde schmal. „Du willst was von mir haben?“
Viele Dinge. „Ich verschaffe deiner Schwester ein paar zusätzliche Wochen, und im Gegenzug wirst du tun, was auch immer ich dir sage, bis zu dem Tag, an dem ich dich aus meiner Obhut entlasse.“ Er hatte keine Ahnung, wie lange es dauern würde, sie zu entgiften und ihr genug beizubringen, dass sie von da an selbst für ihr Überleben sorgen könnte.
„Das klingt nach so einer Gruselgeschichte aus den Spätnachrichten. Erwartest du, dass ich so was wie deine Sexsklavin werde?“ Sie klang nicht entsetzt, sondern eher neugierig.
„Nein“, erwiderte er und verzog jetzt selbst missfallend das Gesicht. „Diese Art von Begehren empfinde ich nicht für dich.“ Tat er doch nicht, oder? Thane und den anderen gegenüber hatte er nicht gelogen. Er war noch Jungfrau. Begehren war etwas, das ihm nicht vertraut war, und er war sich nicht sicher, ob er es überhaupt erkennen würde.
Er wusste, dass er Nicolas Loyalität ihrer Schwester gegenüber bewunderte. Er wusste, dass er sich danach sehnte, jemanden zu haben, der ihn auch nur halb so sehr liebte. Aber die Vorstellung, sie nackt zu sehen, war … faszinierend, wurde ihm klar, als das Blut in seinen Adern sich erhitzte, glühte, ihn versengte. Und diese Hitze hatte nichts mit Zorn zu tun. Sie brodelte empor und riss den kalten Mann mit sichfort, als den er sich kannte.
Vielleicht begehrte er sie doch auf jene Weise.
Schon der bloße Gedanke ließ ihn rückwärtstaumeln. In seinem Kopf drehte sich alles. Aber … aber … aber sie war so zart, so zerbrechlich. Neben ihm sah sie aus wie ein Zwerg. Als könnte er sie mit einer Handbewegung zerquetschen. Warum gerade sie? Warum gerade jetzt? Ein Verlangen nach ihr war unlogisch. Unpraktisch.
„Nein“, wiederholte er heiser. Das konnte er nicht.
„Oh“, murmelte sie und
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