Sinnliches Erwachen
zeigte mit dem Finger auf ihn, um deutlich zu machen, dass es Konsequenzen haben würde, wenn Thane ihn ignorierte.
„Halt. Du willst jetzt gehen?“ Die Harpyie verzog die metallic-rosa geschminkten Lippen zu einem verführerischen Schmollmund. „Aber ich hab doch noch nicht mal angefangen – und ich hab ein paar ziemlich heiße Tricks drauf. Hab ich schon erwähnt, dass ich verdammt gelenkig bin?“
Thane starrte Koldo mit verengten Augen an. „Wir gehen nirgendwohin. Sonst krieg ich dich nie wieder hierher.“
In diesem Moment wurde Koldo klar, dass Thane genauso viel zu verlieren hatte wie er – und das gab ihm genau den Verhandlungsspielraum, den er brauchte. „Wir kommen hierher zurück. Darauf hast du mein Wort. Aber bis dahin tätest du gut daran, mir zu folgen.“ Knapp erklärte er Thane, wohin er fliegen sollte, und teleportierte sich dann ins Krankenhaus, aber … Nicola war nicht dort. Er beamte sich in ihr Büro. Auch hier war sie nicht. Stattdessen entdeckte er jedoch eine Himmelsgesandte, und ebenso ein Mädchen, das er nicht kannte, von dem er aber das Gefühl hatte, er sollte es kennen.
Es blieb keine Zeit, die Frauen zu befragen. Er teleportierte sich in Nicolas Wohnung, aber auch dort war der Rotschopf nicht. Ihre zweite Arbeitsstelle … Nichts. Wieder zurück ins Krankenhaus, wo er sich in einem leeren Schwesternzimmer materialisierte und den Computer anschmiss. Eine gute Entscheidung. Laila war in ein anderes Zimmer verlegt worden.
Direkt vor ihm landete Thane. Er legte die Flügel an, während er sich schon umsah. „Was machen wir hier?“
„Du wartest darauf, dass ich erledige, was ich zu erledigen habe, und genau das tue ich gerade.“
Ohne ein weiteres Wort beamte er sich in Lailas neues Zimmer. Und dort fand er auch endlich Nicola, die schluchzend über den Körper ihrer Schwester gebeugt saß.
6. KAPITEL
Schnell nahm Koldo die Situation in sich auf. Der Monitor, auf dem Lailas Herzfrequenz zu sehen war, piepste rasend. In der Luft hing ein scharfer Geruch – der Gestank des nahenden Todes. Ein Pfeifen begleitete ihren Atem, obwohl sämtliche Arbeit von den Maschinen erledigt wurde – der Klang des nahenden Todes. Auch wenn sie nicht tot war, ihr Geist war schon auf halbem Weg aus ihrem Körper, kurz vor dem Aufstieg. Oder was auch immer sie als ihren Weg gewählt hatte.
Viel länger würde sie nicht durchhalten. Wenn ihr Geist erst vollständig losgelöst wäre, könnte ihr Körper nicht mehr überleben.
Nicola hatte die Stirn auf dem Bett abgestützt, und ihre schmalen Schultern bebten unter der schieren Verzweiflung ihres Schluchzens. Verzweiflung … eine Mixtur aus Angst und Anspannung, die beide Dämonengifte verstärkte. Bald würde sich jeder Dämon in diesem Krankenhaus die Finger nach ihr lecken.
„Nicola.“ Er trat ein in die natürliche Welt und wurde sichtbar. Sein erstes Wort zu ihr seit so vielen Tagen. Ich hätte nicht warten sollen, bis die Tragödie eingetroffen ist, wurde ihm klar.
Augenblicklich richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf ihn, und mit roten, verschwollenen Augen sah sie zu ihm auf. „Koldo“, japste sie überrascht. Ihre Nase schien verstopft, ihre Stimme klang nicht mehr nach Rauch und Träumen, sondern kratzig. Vereinzelte Haarsträhnen klebten ihr an den tränenfleckigen Wangen. „Was machst du hier? Wie hast du mich gefunden?“
Wie sollte er ihr erklären, dass er ihren Schmerz gespürt hatte, wenn er sich nicht sicher war, wie oder warum das überhaupt geschehen war? Also ignorierte er ihre Frage und zwang sich, den Blick auf Laila zu richten. „Sie liegt im Sterben.“
Kurze Stille. Ein Zittern. „Ja. Eigentlich sollte ich nicht weinen. Ich wusste, dass das irgendwann passieren würde.“ Nicola bedeckte ihr Gesicht mit den Händen, wischte die Tränen fort, versuchte vielleicht sogar, die Anspannung wegzumassieren. „Sie braucht jetzt Ruhe und Gelassenheit von mir. Ich brauche Ruhe und Gelassenheit.“
Genau wie ich.
„Aber …“
„… es tut weh“, beendete er ihren Satz.
„Ja.“ Seufzend ließ sie sich gegen die Stuhllehne sinken. Sie atmete aus, holte Luft und rümpfte ganz entzückend die Nase. „Letztes Mal hast du wundervoll gerochen. Jetzt stinkst du wie ein Bordell.“
Die Beleidigung war ihm nicht peinlich. Ihm war noch nie etwas peinlich gewesen, und das würde auch so bleiben. Er war … überhitzt. Ja. Deshalb fühlten seine Wangen sich plötzlich an, als stünden sie in Flammen. „Und woher
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