Sinnliches Erwachen
geglaubt … gehofft … Na ja, das spielte jetzt keine Rolle mehr. Koldo hatte nicht gewollt, dass sie auf das Date ging – ein wundervolles Zeichen –, doch sie war so wütend geworden, dass sie darauf bestanden hatte. Wie albern. Vor allem, wenn sie die Tatsache bedachte, dass sie dieses Date nur zugesagt hatte, weil er drei Tage lang verschwunden gewesen war.
Jetzt war er wieder da … Doch sie kam nicht mehr aus der Nummer raus.
Was sollte sie nur tun?
Hinter ihr ertönte das Rascheln von Kleidung, und sie wirbelte herum. Wenige Schritte vom Bett entfernt stand Koldo, den Kopf gesenkt und die Fäuste geballt. Dunkle und helle Haarsträhnen hingen ihm ins Gesicht und fielen über seine Brust. An den Händen hatte er Bissspuren. Sein Atem ging tief und regelmäßig, doch er wirkte zu angestrengt, als sei die Kontrolle über seine ruhige Fassade wacklig.
„Was ist los?“ Alle Gedanken über das Date-Desaster waren vergessen, und sie eilte zu ihm. „Bist du wieder angegriffen worden?“
Stumm ließ er sich einfach auf den gepolsterten Stuhl hinter sich fallen.
Sorge stieg in ihr auf, als sie sich vor ihn kniete und ihm die Hände auf die steinharten Oberschenkel legte. Hitze strahlte von ihm aus, und sie überlief ein Beben, das nichts mit der Temperatur zu tun hatte.
„Sprich mit mir“, bohrte sie weiter. „Bitte.“
Goldene Augen flehten sie an … was zu tun?
So hatte sie ihn noch nie gesehen. So zerrissen. So gequält.
So gebrochen.
„Koldo.“ Was sonst konnte sie sagen?
Er lehnte sich zurück, und sein Kopf stieß gegen die hölzerne Oberkante des Stuhls. „Ich … habe etwas getan. Etwas Furchtbares. Es war gerechtfertigt. Das Endergebnis sollte mich begeistern, aber … aber …“
Was um alles in der Welt konnte er getan haben, das eine solche Reaktion auslöste? „Erzähl’s mir.“
Er rieb sich mit der Hand übers Gesicht. „Damit ich auch auf deinem Gesicht den Hass wachsen sehen kann?“ Wie Laila zuvor lachte er humorlos. „Nein.“
Einige Haarsträhnen hatten sich gelöst und glitten durch die Luft, tanzten zu Boden. Er mag Witze. Zieh ihn ein bisschen auf. „Du hast jemandem einen Vokuhila verpasst, stimmt’s?“, fragte sie mit einem kleinen Lächeln.
Er schloss die Augen, stieß die Luft aus und hob mit roher Gewalt die Arme nach oben und hinten, sodass er allen Ernstes ein Loch in die Wand schlug. Das Krachen ging ihr durch Mark und Bein.
Eine so heftige Reaktion … Hatte er tatsächlich jemandem einen Vokuhila verpasst? „Koldo …“
„Es tut mir leid“, krächzte er und sah sie an. „Das hätte ich nicht tun sollen.“
Okay, vielleicht keinen Vokuhila, aber seine finstere Laune hatte definitiv etwas mitden Haaren zu tun.
„Lass es mich vergessen“, bat er. „Nur für eine Weile. Erzähl mir eine Geschichte.“
Sie würde alles tun, um ihm Frieden zu schenken. Aber was konnte sie einem jahrhundertealten Krieger zur Unterhaltung erzählen? Oh, ich weiß! „Einmal hat ein Mädchen aus unserer Klasse Laila und mich vermalekorkste Frankensteins genannt, wegen der ganzen Schläuche, die überall aus unseren Klamotten kamen – und ich weiß, ich weiß, das ist eine ziemlich kreative Beleidigung, aber ich schweife ab. Laila hat deswegen geweint. Beachte, dass ich Laila gesagt hab. Ich nicht, nur dass wir uns da verstehen. Ich habe nicht zwanzig Minuten auf dem Mädchenklo verbracht, an eine sehr unhygienische Toilette gelehnt und so heftig geheult, dass mir der Rotz aus der Nase geblubbert ist.“
Ein winziges bisschen der Qual auf seinen Zügen verblasste, und federleicht strich er mit der Hand über ihren Kiefer. „Was ist dann passiert?“
Ein Schauer überlief sie, doch sie brachte hervor: „Du musst raten, auf welche sehr höfliche, sehr anständige Weise ich es der kleinen Schlampe heimgezahlt hab.“
„Wie?“
„Rate.“
„Hardcore-Punkerin, die du bist, hast du ihr eine sehr unschöne Beleidigung an den Kopf geworfen.“
„Nein. Ich hab ihr eine verpasst und ihr die Nase gebrochen. Niemand nennt meine Schwester einen vermalekorksten Frankenstein und kommt damit durch. Lass dir das eine Lehre sein. Vielleicht solltest du es sogar aufschreiben und dreimal unterstreichen.“
Ihm entfuhr ein bellendes Lachen. Ein sehr raues, sehr heiseres Lachen, das in ihr den Verdacht weckte, dass er seit Jahren nicht gelacht hatte. Wenn überhaupt jemals. Und sie hatte ihn dazu gebracht, hatte ihm über seine aufgewühlten Emotionen hinweggeholfen, ihn
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