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Sintflut (German Edition)

Sintflut (German Edition)

Titel: Sintflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Schulze
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Und solange eine Fundstelle nicht abgeriegelt ist, kann sich im Prinzip jeder bedienen. Paula aber würde um jede noch so blöde Keramikscherbe kämpfen wie eine Irre. Was das bedeutet, stelle ich mir besser nicht vor. Ich versuche, meine Phantasie zu zügeln und mich zu entspannen. Noch ist ja nichts passiert. Außerdem kann man die Pferde erst fangen, wenn sie schon entsprungen sind.
     
    Nach meinem Spaziergang mache ich einen Abstecher in die Innenstadt. Max braucht etwas für die Beine eines alten Gartentischs, den er sich ins Büro gestellt hat und der sonst das Parkett zerkratzt. Ich betrete ein Fachgeschäft, das zum Urgestein des Erlanger Einzelhandels gehört. Der Besitzer beschäftigt eine mir unbekannte Anzahl älterer Frauen, die entweder krank, gerade in der Pause oder im Urlaub sind, weil er meist persönlich aus seinem Kontor herauskommen muss, um vorne zu bedienen. Gerne lässt er die Kunden eine Weile warten, so wie mich jetzt. Ich schaue auf Stopfen, Schläuche, Schürzen, Gummimäntel und Schaumstoffballen, schaue auf den Rücken des Chefs, der noch immer an seinem Schreibtisch sitzt. Schließlich steht er auf, kommt heraus, baut sich hinter der Theke auf und schaut mich mitleidig an: wieder so ein dummer Kunde.
    »Was kann ich für Sie tun?«, sagt er in korrektem Deutsch, denn ich bin ja schließlich keine Erlangerin.
    Ich trage mein Anliegen vor: vier runde, schwarze Hartgummischutzhüllen, Durchmesser nicht mehr als drei Zentimeter und nicht weniger als zweieinhalb.
    »Ja wozu brauchens denn des üüüüberhaupt?«, fällt er nun doch ins Fränkische. Wer vier schwarze Hartgummischutzhüllen will, der soll gefälligst sagen, warum und wozu, soll stammelnd um die richtigen Worte ringen. Damit dann eben der Fachhändler als rettender Engel dasteht und als einer, der grundsätzlich mehr weiß als alle Kunden zusammen. Ich tue dem alten Mann den Gefallen, erzähle vom Tisch und vom bedrohten Parkettboden.
    »Warum sangs des ned gleich?«, schiebt er nach und stellt triumphierend eine Schachtel auf die Theke. Er zählt vier Teile ab und steckt sie in eine braune Papiertüte, ich zahle fünf Euro, mit Quittung, man weiß ja nie.
    Als ich wenig später zu Hause die Tür aufschließe, sehe ich das Licht im Wohnzimmer brennen und die schwarze Lederjacke an der Garderobe hängen. Max ist da. Er sitzt im Wohnzimmer und liest Zeitung. Vor ihm steht ein leerer Teller und es riecht nach Fisch.
    »Hast du schon gegessen? Der Fisch ist leider alle.« Max will immer wissen, ob ich was gegessen habe, und wenn ich jetzt nein sage, legt er die Zeitung weg, geht in die Küche und macht mir einen kleinen Teller mit Käse, Gurkenscheiben, Oliven und etwas Weißbrot zurecht. Aber ich sage gar nichts, sondern schaue ihn bloß an.
    Max ist mittelgroß, hat blaue Augen, buschige Brauen, eine markante Nase und einen massigen Schädel, der auf einem relativ kurzen Hals sitzt. Er ist stämmig und gut durchtrainiert. Früher mal waren seine Haare braun mit viel Grau an den Schläfen. Früher mal, das war vor zwei Tagen. Jetzt sind alle Haare weg und es kommt mir vor, als hätte ich den Mann, der da am Wohnzimmertisch sitzt, noch nie gesehen.
    »Gefällt es dir?«, fragt er und grinst wie ein Junge, der zum ersten Mal mit einem Mädchen ausgeht, aber noch nicht weiß, ob sie ihn mögen wird oder nicht.
     
    »Gefällt mir was?«, frage ich zurück. »Die Farbe deiner Kopfhaut oder deine neue Frisur? Ist das überhaupt eine Frisur oder nennt man das anders?«
    »Gefällt es dir nicht?« Das Grinsen ist weg.
    »Es ist keine Frisur«, stelle ich fest. »Der Begriff der Frisur setzt Haare voraus. Keine Haare, keine Frisur, mehr ein Zustand. Ein ungewohnter Zustand. Was wirst du machen, wenn es draußen kalt wird? Soll ich dir dann eine Mütze häkeln?«
    Max hasst Mützen. Wegen einer Mütze hat er als Kind zum ersten Mal Widerstand geleistet. Sein Patenonkel schenkte ihm zu seinem fünften Geburtstag eine mit Bommel, und Max weigerte sich, sie aufzusetzen. Als seine Mutter es schließlich schaffte, riss er die Mütze sofort wieder herunter und warf sie ins Kaminfeuer. Nach einem Taschengeldentzug mit Stubenarrest war die Sache ausgestanden, und seitdem haben Mützen in seinem Leben nie mehr eine Rolle gespielt.
    »Reiz’ mich nicht, Weib, sonst bekommst du die Peitsche zu spüren«, schimpft Max zum Spaß.
    Er redet oft so daher. Manchmal schimpfe ich zurück und manchmal sind die Fenster auf. Ich glaube, unsere Nachbarin

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