Sintflut
aus Preußen bist, will ich dir kein Unrecht antun.«
Kmicic wurde verlegen. Ohne Pferde hatte er keinen Vorwand mehr weiter zu reisen und mußte nach Preußen zurückkehren. Deshalb forderte er einen unmäßig hohen Preis. Aber zu seinem größten Erstaunen versuchte der Offizier gar nicht, davon etwas abzuhandeln.
»Gut,« sagte er, »bringe die Pferde in den Stall, ich hole indessen das Geld.«
Die Kiemlicz' waren hoch erfreut; Pan Andreas begann jedoch aus Leibeskräften zu schimpfen. Die Pferde mußte er aber, ob er wollte oder nicht, in den Stall bringen.
Einige Minuten später erschien der Offizier wieder und brachte Kmicic ein beschriebenes Papier.
»Was ist das?« fragte Pan Andreas.
»Geld, oder dasselbe, – eine Quittung.«
»Und wo wird mir das Geld ausbezahlt?«
»Im Hauptquartier, in Warschau.«
»Was denn, wie denn? Wir verkaufen nur gegen bar Heilige Mutter Gottes!« begann der alte Kiemlicz zu stöhnen.
Kmicic sah ihn drohend an und sagte:
»Für mich ist das Wort des Pan Kommandanten ebensogut wie bares Geld. Und nach Warschau müssen wir ja so wie so hin. Wir wollen bei den Armeniern dort vorteilhafte Einkäufe machen, die wir dann in Preußen wieder verkaufen.«
Der Offizier entfernte sich, und Pan Andreas begann Kiemlicz zu trösten.
»Still doch, du Schafskopf! Eine Quittung ist doch der beste Geleitbrief. Mit ihr werden wir sogar bis nach Krakau gelangen, um unsere Klage, daß wir kein Geld erhalten haben, dort vorzubringen. Eher kann man aus einem Steine Wasser herauspressen, als Geld aus den Schweden. Aber das gebrauchen wir ja gerade. Das dumme Vieh denkt, daß er uns angeführt und ahnt gar nicht, welchen Dienst er uns tatsächlich geleistet hat. – Und das Geld für die Pferde erhälst du ja von mir.«
Kmicic beschloß, in Przasnysz zu übernachten, und ohne seinen angenommenen Namen zu ändern, die ärmliche Kleidung für eine Zeit abzulegen. Mit schlecht gekleideten Menschen ließen sich die wohlhabenden Schlachtschitzen ungern in ein Gespräch ein, und Pan Andreas wollte gern über manches von ihnen Auskunft haben.
Er kleidete sich um und ging in ein Gasthaus. Das, was er dort zu hören bekam, war freilich nicht sehr erfreulich. Die Schlachta trank auf die Gesundheit des schwedischen Königs und belachte die Spottreden der schwedischen Offiziere über Jan-Kasimir. Alles wurde mit den Füßen getreten, alles dem Hohne preisgegeben, allein die Religion hielt man heilig. Denn als ein schwedischer Unteroffizier ausrief, daß die Religion der Schweden besser sei als die der Katholiken, schlug ihm der neben ihm sitzende Pan Grabowski eins über den Kopf. Es entstand ein großer Tumult, in dem es Pan Grabowski gelang, aus der Schenke zu entkommen. Man setzte ihm nach, aber da ereignete sich etwas, das die Aufmerksamkeit aller nach einer ganz anderen Richtung ablenkte. Es verbreitete sich nämlich die Nachricht, daß sich Krakau ergeben habe und Pan Czarniecki gefangen genommen sei. – Somit war das letzte Hindernis auf dem Wege des siegreichen Vordringens der Schweden gefallen.
Im ersten Augenblicke war die Schlachta stumm und starr. Aber als die Schweden befahlen, die Glocken sämtlicher Kirchen zu läuten, und als die Soldaten Fässer mit Branntwein und Met für die Garnison und die Einwohner auf den Marktplatz rollten, vergaß sie ganz ihren ersten Schreck. Inmitten der zechenden Soldaten gingen haufenweise Schlachtschitzen umher, die mit den schwedischen Truppen mittranken und Anteil nahmen an dem allgemeinen Jubel zu Ehren des Falls von Krakau und der Niederlage des Pan Czarniecki.
Angeekelt von diesem Treiben, eilte Kmicic sich in sein Quartier zu vergraben. Er legte sich nieder, aber der Schlaf floh ihn. Es durchschauerte ihn wie im Fieber, und arge Zweifel quälten ihn: War er nicht zu spät auf den rechten Weg gegangen, jetzt, wo das ganze Land sich schon in den Händen der Schweden befand? Es schien ihm, daß alles verloren war, daß die Republik nie wieder aus ihren Trümmern auferstehen könnte.
»Dieser unglückselige Krieg wird nicht mit dem Verluste einer Provinz enden,« dachte er, »nein, die ganze Republik wird zu einer schwedischen Provinz werden. Und wir, ich mehr als die anderen, tragen selbst die Schuld daran.«
Solche Gedanken beunruhigten sein Gewissen, er konnte durchaus nicht einschlafen. – Er wußte selbst nicht mehr, was tun? Weiterfahren, oder in der Stadt bleiben, oder umkehren? Selbst wenn er Leute um sich sammelte und die Schweden
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