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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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markerschütternde Ausrufe an allen Ecken der Festung:
    »Es brennt! Wasser! Wasser! Auf die Dächer! – Höher die Kanonen! Höher! – Feuer! – –
    Gegen Mittag wurde es noch schlimmer. Es schien, daß, sobald der Rauch sich verzogen haben werde, die Schweden an Stelle des Klosters nur einen Berg von Kanonenkugeln und Granaten entdecken würden.
    Das Dröhnen der Schüsse folgte sehr schnell hintereinander und verschmolz zu einem anhaltenden Getöse wie der Atem eines gehetzten, ermüdeten Tieres.
    Plötzlich erschallten auf dem Turme, der eben erst nach einem vorjährigen Brande ausgebessert worden war, feierliche Fanfaren. Die Töne kamen von oben, und man hörte sie überall, sogar auf den schwedischen Batterien. Bald mischten sich menschliche Stimmen mit den Trompetenklängen, und trotz des Geprassels und Pfeifens vernahm man die Worte:
    »Mutter Gottes, Jungfrau, gebenedeiete Maria!« Da schlug eine Granate ein, ein Dach stürzte nieder, und ein durchdringender Ruf »Wasser!« ertönte. Aber die Klänge des feierlichen Gesanges schwebten ungestört über all der Vernichtung.
    Kmicic, der an der Kanone gegenüber von Müllers Position stand, von wo aus das stärkste Feuer kam, stieß den unbewanderten Kanonier zur Seite und machte sich selbst an die Arbeit. Er schaffte so eifrig, daß er trotz der Herbstkälte seinen Pelz abwarf, und nur im Hemd und Beinkleidern dastand.
    Seine Brauen waren zusammengezogen, seine Augen brannten, und der Ausdruck einer wilden Freude lag auf seinem Gesichte. Jeden Augenblick bückt er sich zur Kanone; auf nichts um sich herum achtend, zielt er, richtet ihren Lauf höher, niedriger und ruft: »Feuer!« Sobald Soroka die Lunte anlegt, eilt er schnell zum Mauerrand und sieht der Kugel nach. Von Zeit zu Zeit ruft er:
    »Ganze Reihen liegen tot! Ganze Reihen!«
    Seine Adleraugen dringen durch Rauch und Staub. Sobald er eine Gruppe von Soldaten sieht, wirft er sie mit einem wohlgezielten Schusse, wie vom Blitz getroffen, nieder.
    Mehrmals hört man ihn froh auflachen, wenn der Schuß besonders gut gelungen ist. Über ihm, rings um ihn herum fliegen Kugeln und Geschosse; aber er achtet ihrer gar nicht.
    Bis zum Mittag hat er sich keine einzige Ruhepause gegönnt. Der Schweiß rinnt von seiner Stirn, und sein Hemd dampft, sein Gesicht ist dick mit Ruß bedeckt.
    Selbst Pan Czarniecki bewundert die Treffsicherheit seiner Schüsse und sagt mehrmals zu ihm:
    »Für Sie ist der Krieg nichts Neues! Das sieht man gleich! Wo haben Sie das gelernt?«
    Gegen drei Uhr verstummte auf der schwedischen Batterie die zweite Kanone, zerschmettert durch einen gut gezielten Schuß Kmicic'. Die übrigen wurden bald daraus von den Schanzen weggeschleppt. Die Schweden hatten anscheinend ihre Position für ungünstig erkannt.
    Kmicic atmete erleichtert auf.
    »Ruhen Sie aus,« sagte Pan Czarniecki zu ihm.
    »Gut, ich habe Hunger,« antwortete der Ritter. »Soroka, gib mir, was du zur Hand hast.«
    Der alte Wachtmeister brachte gleich Schnaps und getrockneten Fisch herbei.
    Pan Kmicic begann ruhig zu essen. Von Zeit zu Zeit blickte er den um ihn herumsausenden Kugeln gleichgültig nach. Auch viele Granaten flogen an ihm vorbei, die meisten trafen jedoch nicht das Kloster, sondern fielen auf das hinter ihm liegende freie Feld.
    »Schlechte Kanoniere haben die Schweden, sie zielen zu hoch,« sagte Pan Andreas, ruhig weiter essend. »Seht nur, alle Kugeln fliegen über unsere Köpfe hinweg.«
    Plötzlich kam eine Granate gesaust, die auf der Mauer aufschlug, mehrere Male hochhüpfte, sich herumdrehte und die Mauer entlang bis dicht zu Kmicic rollte, wo sie sich in einen nassen Sandhaufen tief einbohrte.
    Zum Glück fiel sie mit dem Rohre nach oben, die Lunte aber fuhr fort zu rauchen.
    »Auf die Erde nieder! Hinlegen!« hörte man verschiedene Stimmen.
    Kmicic kroch jedoch im gleichen Momente heran; er riß mit einer Bewegung das Zündrohr mit der brennenden Lunte heraus und rief:
    »Steht auf! Dem Hunde sind sämtliche Zähne herausgerissen, jetzt wird er nicht mehr eine Fliege töten können!«
    Alle konnten lange Zeit keinen Ton hervorbringen angesichts dieser übermenschlichen Kühnheit. Als erster kam Pan Czarniecki zu sich.
    »Wahnsinniger! Wäre sie geplatzt, so wären Sie in Stücke zerrissen worden!«
    Pan Andreas lachte heiter und zeigte seine glänzenden, weißen Zähne.
    Der Prior, der in diesem Augenblicke gerade seinen gewohnten Rundgang machte, hatte Kmicic' Tat mit angesehen. Er trat zu Pan

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