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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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der verstorbenen Billewicz' geschossen?«
    »Gewiß, das taten sie. Sie schleppen täglich die Mägde in ihre Zimmer. Im Dorfe ist ein Gejammer; im Herrenhause – Sodom und Gomorrha. Das Vieh ist alles abgeschlachtet. Einen Stallknecht haben sie totgeschlagen. Und jetzt lassen sie sich auch schon die Mädchen aus dem Dorfe ins Haus schleppen!«
    »Wann erwartet man den Pan?«
    »Das wissen sie nicht. Sie wollen alle nach Upita und haben schon Pferde bestellt. Von hier wollten sie Pulver holen.«
    »Hierher kommen sie? – Gut, – geh jetzt in die Küche, – nach Lubicz brauchst du nicht zurück.« – –
    Um nächsten Morgen, ehe noch die Panna zur Kirche abgefahren war, – es war ein Sonntag, – kamen die Offiziere aus Lubicz mit ihrer Dienerschaft angeritten.
    Die Schloßherrin trat ihnen kühl und hochmütig entgegen und erwiderte ihre tiefen Verbeugungen nur mit einem kaum bemerkbaren Kopfneigen.
    Kokosinski trat hervor:
    »Erlauchtigste Panna! Wir entbieten Ihnen unseren ehrfurchtsvollsten Gruß und bitten Sie, Ihrer Dienerschaft zu befehlen, uns zu folgen. Wir werden Upita stürmen und den Kleinbürgern ein wenig Blut abzapfen.«
    »Mich wundert,« sagte Panna Billewicz, »daß Sie nach Upita gehen, nachdem ich selbst Pan Kmicic' Befehl gehört habe, in Lubicz still zu sitzen. Ich meine, es wäre ratsamer, daß Sie, als seine Untergebenen, seinen Befehlen gehorchen.«
    Die Ritter sahen sich einander verständnislos an.
    »Bei Gott!« sagte Kokosinski, »ein Unbeteiligter könnte meinen, Sie sprechen mit Pan Kmicic' Knechten. Es ist wahr, wir sollten still sitzen. Aber Pan Andreas ist schon seit vier Tagen fort, und wir meinen, unsere Schwerter könnten ihm nützlich sein.«
    »Pan Kmicic ist nicht in den Krieg gezogen; er ist gegangen, um gewalttätige Soldaten zur Vernunft zu bringen. Und Ihnen könnte es auch so gehen, wenn Sie sich seinen Befehlen nicht unterordnen. Auch würde Ihre Anwesenheit die Unordnung in Upita nur vergrößern.«
    »Wir wiederholen unsere Bitte um Ihre Dienerschaft und um Pulver!«
    »Weder das eine noch das andere werde ich Ihnen bewilligen. Haben Sie mich verstanden?«
    »Wie! – Wa-as!« schrie Kokosinski: »Fürchten Sie nicht für Pan Kmicic?«
    »Das größte Unglück, das ihm zustoßen könnte, ist Ihre Anwesenheit.«
    Die Augen des jungen Mädchens funkelten. Mit erhobenem Haupte machte sie einige Schritte auf ihre Gäste zu.
    »Verräter!« sagte sie. »Ihr seid seine bösen Geister! Ich kenne euch wohl, ich kenne euer liederliches Leben, eure schändlichen Taten. Die Strafrichter verfolgen euch; anständige Menschen wenden sich von euch ab. Und auf wen fällt die Schande? Auf ihn! Ihr ehrlosen Bösewichter!«
    Panna Billewicz ging noch einen Schritt vor und wies mit der Hand auf die Tür.
    »Hinaus, sage ich!«
    Die Ritter wurden bleich; aber keiner sagte ein Wort. Unwillkürlich griffen sie an ihre Säbel, ihre Augen sprühten Funken. – Aber ach! Dieses Haus stand unter dem Schutze des mächtigen Kmicic, und dieses Mädchen war seine Braut. – Es blieb ihnen nichts übrig, als die Beleidigung herunterzuschlucken.
    »Wenn man uns hier so liebenswürdig empfängt.« sagte Kokosinski mit vor Wut stockender Stimme, »so bleibt uns – nichts übrig, – als zu gehen, der Hausfrau höflichst für die Gastfreundschaft dankend.«
    Er verbeugte sich mit übertriebener Ehrfurcht, und die anderen folgten seinem Beispiele.
    Als die Tür sich hinter den Offizieren schloß, fiel Alexandra kraftlos in den Sessel. Mit ihrem Willen und ihrer Stärke war es nun zu Ende.
    Die Ritter schlugen den Weg nach Upita ein und machten nach mehreren Stunden in einer Schenke, Doly mit Namen, die zwischen Wolmontowicze und Mitruni lag, Halt. Vor der Schenke standen schon einige Schlitten und gesattelte Pferde. Als die Ritter in die große, finstere Stube eintraten, fanden sie sie schon überfüllt. Die Schlachta der Umgegend saß auf den Bänken oder stand gruppenweise vor dem Schenktisch und trank Bier oder Krupnik, ein Getränk aus Met, Branntwein, Öl und Kräutern. Es waren alles Abkömmlinge der Butryms, lauter kräftige, finstere und ungewöhnlich schweigsame Menschen. Sie trugen graue Halbröcke aus selbstgewebtem Tuch, die mit Schaffellen gefüttert waren, schwarze Ledergürtel und Säbel in schwarzen Scheiden. Zum großen Teil waren es Greise oder halbwüchsige Knaben, die das zwanzigste Jahr noch nicht überschritten hatten; denn die anderen hatten sich alle in Rosien zum Landsturm

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