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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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hatte.
    »Heiliger Georg! Was ist das?« schrie der Marschall, als er sah, wie der König sich anstrengte, den bewußtlosen Kmicic vom Fußboden aufzuheben.
    »Das ist Pan Babinicz, mein Freund und treuer Diener. Helfen Sie mir, Pan Marschall, ihn wieder ins Bett zu legen. – –

8. Kapitel.
    Von Lubomka begab sich der König nach Lemberg, wohin ihn der Kronmarschall und eine Menge Bischöfe, Senatoren und Würdenträger begleiteten. Und wie ein mächtiger Fluß sich durch die ihm zuströmenden Bäche und kleinen Flüßchen allmählich vergrößert, so wuchs auch der königliche Zug mit jeder Minute. Immer und immer wieder schlossen sich ihm Pans, Schlachtschitzen und ganze Trupps von bewaffneten Bauern an, die alle furchtbar gegen die Schweden aufgebracht waren.
    Jung und alt, alles stieg zu Pferde. Die Frauen opferten willig ihre Kostbarkeiten für die allgemeine Sache, einige wollten sogar mit in den Krieg ziehen. In den Schmieden hämmerten Tag und Nacht Zigeuner, und sie verwandelten Sicheln und Sensen in Waffen. In den Städten und Dörfern wurde es still, weil alle Männer ins Feld gezogen waren. Von den Bergspitzen stiegen Hunderte wilder, bewaffneter Männer herab.
    Der Witebsker Wojewod, der von dem Falle Tykocins überzeugt war, übertrug die weitere Führung der Belagerung dem Pan Oskierka, während er selbst nach Tyszowiec aufbrach, wo soeben die Hetmans, die wieder mit ihren Truppen aus den schwedischen Diensten getreten waren, zum Schutze des Vaterlandes und des Königs die Tyszowiecer Konföderation schlossen.
    »Zu mir sind Gerüchte gedrungen,« sagte der Wojewod beim Abschied zu den versammelten Rittern, »daß einige Offiziere beabsichtigen, den Fürsten nach der Einnahme des Schlosses zu zerstückeln. Wenn – was ich für sehr wahrscheinlich halte – das Schloß sich während meiner Abwesenheit ergeben sollte, so verbiete ich Ihnen allen auf das Strengste, Hand an den Fürsten zu legen. Der Verräter verdient zwar nicht das geringste Mitleid; aber sein Leben gehört nicht mir. Ich ziehe es vor, ihn vor das Reichsgericht zu stellen, damit die nachkommende Generation ein Beispiel haben möge, daß weder die hohe Abstammung noch der Reichtum es jemandem ermöglichen, sich den Gerichten und der gerechten Strafe zu entziehen. – Pan Wolodyjowski! Ich reise sogleich ab, Ihnen übertrage ich die Verantwortung für das Leben des Fürsten Wojewoden, wenn das Schloß genommen werden sollte. Sie haften mir für ihn mit Ihrem Kopfe!«
    »Zu Befehl! Niemand wird dem Wojewoden auch nur einen Finger krümmen«, antwortete der kleine Oberst.
    Und in diesem selben Augenblicke saß der große Verräter in seinem Schlosse und starrte zwecklos auf die mit Schnee bedeckte Erde und lauschte dem Sausen des Windes.
    Das Lämpchen seines Lebens brannte langsam seinem Ende entgegen. Nur noch wenige Stunden blieben ihm vergönnt zu leben, und doch hatte er schon zu lange gelebt. Denn er überlebte nicht nur den Glauben an sich und seinen glücklichen Stern, sondern auch seinen Sturz, einen so tiefen Sturz, daß er selbst es nicht fassen konnte. Alles hatte ihn betrogen: sein Glück, seine fein durchdachten Pläne, seine Verbündeten. Er, der sich nicht mit der Würde des mächtigsten polnischen Magnaten, mit dem Titel des Großhetmans und Wilnaer Wojewoden begnügen wollte, er, dem ganz Litauen zu eng schien für die Verwirklichung seiner Pläne, – er war jetzt in einem kleinen, ärmlichen Schlosse eingeschlossen, aus dem heraus es nur zwei Wege gab: entweder den Tod oder die Gefangenschaft. Und ununterbrochen starrte er zur Tür, in der Erwartung, welche der beiden Schreckensgestalten sich zuerst seines sich auflösenden Körpers bemächtigen werde.
    Noch unlängst konnte man aus seinen Besitzungen sich ein kleines Reich bilden, und jetzt war er nicht einmal Herr dieser Tykociner Mauern! – Vor einigen Monaten noch verkehrte er mit den Königen der Nachbarländer wie mit seinesgleichen, und jetzt hört ein einfacher schwedischer Hauptmann unehrerbietig und ungeduldig seinen Befehlen zu, um nachher dennoch nach eigenem Ermessen zu handeln!
    Auch König Gustav hatte sich endgültig von ihm gewandt, als der mächtige Magnat, verlassen von allen seinen Truppen, zu einem der Hilfe bedürftigen Bundesgenossen geworden war. Wie man einstmals den Raubmörder Kostka Napierski in Czorsztyn belagerte, so belagerte man jetzt ihn, Radziwill, im Tykociner Schloß. Und sein persönlicher Feind, Sapieha, war es, der das tat.

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