Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
Vom Netzwerk:
immer unzufriedener und versank tief in Gedanken; er selbst blieb zwar noch, aber seine Banner schmolzen mit jedem Tage zusammen.
    Jan-Kasimir jedoch zeigte keine Neigung, den Schweden den rettenden Sieg zu verschaffen. Er blieb in Lemberg und wartete auf Sapieha. Seine Regimenter wuchsen von Tag zu Tag, während Karl-Gustavs Kräfte zusehends abnahmen.
    »Keine Armee mehr, sondern ein Trauerzug kommt durchs Land gezogen,« sprachen die alten Soldaten des polnischen Königs, und die Schweden mußten widerwillig dem zustimmen.
    Karl-Gustav selbst behauptete, er zöge nach Lemberg; aber er täuschte sich selbst und seine Armee. An Lemberg durfte er nicht mehr denken, sondern nur an seine eigene Rettung. Und stand es denn fest, daß er Jan-Kasimir in Lemberg treffen würde? Konnte dieser sich nicht nach Podlachien zurückziehen und den Feind nach sich locken, bis in die Steppen, wo er sicherlich umkommen mußte?
    Ein Versuch des Generals Douglas, die kleine Festung Przemysl zu nehmen, scheiterte gänzlich. Die Katastrophe nahte langsam, aber unerbittlich ihrem Ende. Früher, wenn der König vor seinen Truppen erschien, pflegte man ihn mit Jubel zu begrüßen, jetzt aber empfingen ihn die Regimenter mit unheilvollem Schweigen. Desto mehr unterhielten sich die Soldaten über Czarniecki, als wenn er ihr König wäre. – Überall war Czarniecki mit seinen Truppen zu sehen. Und merkwürdig, als während zweier Tage keine einzige Abteilung vernichtet wurde, als mehrere Nächte ohne Überfall verflossen, wuchs die Unruhe im schwedischen Lager noch mehr.
    »Czarniecki ist verschwunden und bereitet Gott weiß was vor!« sprachen die Soldaten untereinander.
    In Jaroslaw machte Karl-Gustav mehrere Tage Rast; er schickte den Oberst Kanneberg mit tausend Reitern auf Erkundigungen aus.
    »Vielleicht hängt von Ihnen unser ganzes Schicksal ab,« sagte der König zu dem Obersten beim Abschied.
    Und wirklich hing von dem Erfolg dieses Streifzuges vieles ab. Man hoffte, daß Kanneberg zum wenigsten das schwedische Lager mit Proviant versorgen, oder vielleicht gar auskundschaften würde, wo sich der Polenkönig aufhalte. Dann wollte sich der schwedische König mit seiner ganzen Macht auf ihn stürzen und seine Armee zertrümmern.
    In heiterster Stimmung, beim Abschiede mit den Kameraden scherzend und ihnen versprechend, Czarniecki einzufangen, machte sich Kanneberg mit seinen Reitern auf den Weg. – Toren! Sie wußten nicht, daß sie wie Stiere zur Schlachtbank gingen!
    Sie überschritten auf einer unfertigen Brücke die San. Kaum hatten sie das andere Ufer erreicht, als schwedische Pioniere die Bretterbrücke auseinandernahmen, um eine starke, auch für den Übergang der schweren Artillerie geeignete zu bauen.
    Die Abteilung verschwand in der Tiefe des angrenzenden Waldes. Ringsum herrschte Schweigen, der Wald schien in diesem tiefen Schweigen wie versunken. Diese Ruhe begann Kanneberg zu quälen. Plötzlich entdeckten zwei der vordersten Soldaten einen Reiter. Es war ein klarer, sonniger Tag; der Reiter war deutlich zu erkennen. Er war von kleiner Statur und ritt langsam, als wüßte er nicht, daß der Feind in der Nähe wäre.
    »Das ist ein Hund aus dem polnischen Hundezwinger,« sagte einer der schwedischen Reiter.
    Der kleine Ritter warf sein Pferd herum, als wenn er den Weg versperren wollte.
    »Da ist noch einer, ein dritter, ein vierter!« erscholl es in den schwedischen Reihen.
    Wirklich, von beiden Seiten der Straße kamen Reiter. Die vorderen ritten je zu zweien, die Hinteren zu dreien, alle gesellten sich dem ersten Reiter zu.
    In diesem Moment kamen Kanneberg und Major Sweno zu den Soldaten.
    »Ich kenne diese Leute,« rief der Major, »sie gehören zu Czarnieckis Armee. Er selbst muß dann auch hier in der Nähe sein! Herr Oberst, kehren wir um!«
    Kanneberg zog die Brauen zusammen.
    »Sie geben mir da einen schönen Rat! – Vorwärts!«
    Die Schweden bewegten sich in größter Ordnung weiter vor. Die Entfernung zwischen den Feinden wurde immer kleiner. Plötzlich sprengten die Polen, sich nach allen Richtungen zerstreuend, fort.
    »Vorwärts!« rief Kanneberg. Der Wald hallte von den Rufen der Verfolger und Verfolgten wieder. Aber auf einmal geschah etwas Merkwürdiges. Die Polen trafen wieder alle zusammen und nahmen eine geordnete Aufstellung ein.
    Sweno bemerkte das und ritt zu Kanneberg.
    »Herr Oberst, das ist keine Schar, sondern eine reguläre Truppe, die absichtlich flieht, um uns in den Hinterhalt zu

Weitere Kostenlose Bücher