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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Wohlgeneigtheit eines solchen mächtigen Herrschers. Aber ich denke, wir könnten uns gegenseitig ebenso hoch achten, wenn Seine Majestät in Stockholm geblieben wäre. Meine Liebe zur Republik bestreite ich nicht; aber ich meine, die Schweden würden der Republik einen großen Dienst erweisen, wenn sie sich aus ihren Grenzen entfernen würden. Ich bezweifle auch durchaus nicht, daß Zamoscie Seiner Majestät wirklich helfen könnte, Jan-Kasimir zu besiegen; aber, hören Sie, ich habe nicht dem schwedischen Könige, sondern gerade Jan-Kasimir Treue geschworen. Und deshalb wünsche ich auch diesem den Sieg. Zamoscie gebe ich nicht her! Das ist alles, was ich Ihnen zu erwidern habe.«
    Forgell geriet in Verwirrung und schwieg einen Augenblick. Er sah ein, daß er zu entschiedeneren Mitteln greifen müsse. Und indem er eine Pergamentrolle aufwickelte, sagte er laut und feierlich:
    »Für die Öffnung der Festungstore verleiht Ihnen Seine Majestät die Lubelsker Wojewodschaft zu erblichem und ewigem Besitze.«
    Alle waren bei diesen Worten sprachlos; einen Augenblick lang war selbst Pan Zamoyski ganz verblüfft. Plötzlich vernahm man Zaglobas Stimme. Er sprach polnisch:
    »Versprechen Sie ihm dafür, Pan Obermundschenk, die Niederlande!«
    Und ohne lange zu überlegen, schmetterte Pan Zamoyski auf lateinisch laut in den Saal hinein:
    »Und ich schenke Seiner Majestät dem Könige von Schweden die Niederlande!«
    Im Saale erscholl lautes, unbezähmbares Gelächter; Forgell wurde blaß und zog die Brauen zusammen. Als das Lachen sich gelegt hatte, fragte er mit hocherhobenem Kopfe und funkelnden Augen:
    »Ist das Ihr letztes Wort?«
    »Nein,« sagte Zamoyski, den Kopf noch höher erhebend, »auf meinen Mauern befinden sich noch Kanonen!«
    Zwei Stunden später eröffneten die Schweden das Bombardement. Zamozcie antwortete mit derselben Energie. Aber während die schwedischen Geschosse ohne jedes Resultat in die mächtigen Festungsmauern einschlugen, fügten Zamoscies Geschosse dem Feinde großen Schaden zu. Gegen Abend mußten die Schweden die vorderen Positionen räumen.
    Der bis aufs äußerste gereizte Karl-Gustav befahl, die umliegenden Dörfer und Städtchen anzuzünden. Pan Zamoyski nahm gar keine Notiz von alledem und gab seinen Offizieren ein glänzendes Festmahl.
    Wolodyjowski und einige Offiziere ersuchten Zamoyski um die Erlaubnis, einen Ausfall machen zu dürfen, aber der Obermundschenk verbot dies. Er wollte unnützes Blutververgießen soviel als möglich vermeiden, denn er meinte, daß es dadurch leicht zu einer offenen Schlacht kommen könnte, weil ein so erfahrener Stratege wie Karl-Gustav sich nicht überrumpeln lassen werde.
    Während des ganzen schwedischen Angriffs blieb Zagloba auf den Festungsmauern und unterhielt die Soldaten, indem er ihnen erlebte und erdichtete Geschichten aus seinem Leben erzählte. Das Herz des alten Schlachtschitzen wollte vor Freude zerspringen angesichts der allgemeinen Opferfreudigkeit, die die polnischen Gemüter jetzt beherrschte.
    »Ja, Pan Michail,« sprach er zu Wolodyjowski, »andere Zeiten sind für die Republik angebrochen. Erinnern Sie sich, vor einem Jahre noch hörte man nur, der hat die Treue gebrochen, jener hat das schwedische Protektorat angenommen, und jetzt brauchen die Schweden selbst die Hilfe des Teufels. Unsere Leiber sind voll und stramm wie eine Trommel, und sie sterben fast Hungers.«
    Pan Zagloba hatte mit seiner letzten Bemerkung recht. Die Schweden hatten nur wenig Vorräte und konnten von nirgend her welche bekommen. Alles, was die umliegenden Dörfer an Lebensmitteln hatten, hatte Pan Zamoyski vorher in die Festung schaffen lassen. In den entfernteren Orten hielten sich aber die Konföderierten und bewaffnete Bauernparteien auf, so daß die Schweden sich nur mit Lebensgefahr von der Hauptarmee entfernen konnten.
    Dazu kam noch, daß Czarniecki nicht über die Weichsel zog, sondern fortfuhr, die schwedische Armee zu umschleichen, wie ein Wolf den Schafstall. Wieder begannen nächtliche Überfälle, und ganze Truppenteile verschwanden spurlos für immer. Unbekannte polnische Abteilungen schnitten dem schwedischen Heere jegliche Verbindung mit der Weichsel ab. Endlich kam auch die Nachricht, daß Pan Paul Sapieha mit einer starken litauischen Armee auf Zamoscie zu marschiere, daß er unterwegs Lublin genommen und die schwedische Garnison vernichtet habe.
    Der alte Wittemberg sah die ganze Trostlosigkeit der Lage ein und verhehlte dem Könige seine

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