Sintflut
Smudien näherte. Selbst von den eigenen Leuten drohte ihnen der Tod, da das Volk durch die Anwesenheit der fremdländischen Offiziere so erbittert war, daß es einen jeden, der nicht polnische Kleidung trug, ohne Schonung niedermetzelte.
Lange mußten die Gefangenen warten. Einmal aber teilte Braun der Panna Anna mit, daß sich Boguslaw in verzweifeltester Lage befände. Alle seine Kräfte waren erschöpft, seine Soldaten zum großen Teil erkrankt. Vorräte waren nicht genügend vorhanden, und der schreckliche Feind, der ihn verfolgte, gab ihm weder am Tage noch des Nachts Ruhe.
»Wer aber verfolgt ihn?« fragte Panna Anna. »Sapieha?«
»Nein, ein gewisser Babinicz,« antwortete Braun.
Anna schrie auf und stürzte zu Alexandra ins Zimmer.
»Was sagte ich dir?« brach sie los. »Wer hat den Fürsten Boguslaw geschlagen? Sapieha vielleicht? Warum nicht gar! Wer besiegt die Schweden? Wer ist der tapferste, der schneidigste Ritter? Pan Andreas und wieder Pan Andreas!«
»Was für ein Pan Andreas?« fragte die bleich gewordene Alexandra.
»Habe ich dir denn nicht gesagt, daß er Andreas heißt? Er sagte mir das selbst. Pan Babinicz! – Es lebe Pan Babinicz! Doch, was ist dir denn?«
Alexandra fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
»Nichts! – Ich dachte, nur allein Verräter tragen diesen Namen. – Es erbot sich jemand, den König zu entführen und ihn lebend oder tot den Schweden auszuliefern, – auch der hieß – Andreas.«
»Verflucht sei er!« rief der Miecznik.
»Möge uns Gott diesen Pan Babinicz schnell hierher schicken!« sagte Anna. »Gut, ich werde mir Mühe geben, dem Braun ganz den Kopf zu verdrehen, damit er die Garnison zur Rebellion anstiftet und mit seinen Leuten zu Babinicz übertritt.«
»Tun Sie das, bitte!« rief aufgeheitert der Miecznik.
»Und dann nachher gebe ich all den Freunden den Laufpaß. – Vielleicht vergißt auch er die Treulose und gewinnt mich lieb!«
Sie bedeckte ihre Augen mit der Hand; dann plötzlich, unter dem Einflusse eines Gedankens, stampfte sie heftig mit dem Fuße auf und sagte:
»Wenn aber nicht, so heirate ich den Pan Wolodyjowski!«
7. Kapitel.
Einige Wochen später herrschte in Tauroggen eine fürchterliche Unruhe und viel Lärm. Eines Abends zogen Haufen früherer Boguslawscher Truppen ungeordnet ein; die Soldaten waren abgemagert, abgerissen und sahen kaum menschenähnlich aus. Boguslaw hatte in einem Kampfe mit Sapieha alles verloren: die Armee, die Geschütze, das Lager. Sechstausend Mann der auserlesensten Truppen waren mit dem Fürsten ausgezogen, zurück kehrten nur zweihundert Reiter. Außer Sakowicz kam von den Polen keiner lebend wieder. Alle, die nicht in der Schlacht gefallen waren, waren zu Sapieha übergetreten. Auch viele ausländische Offiziere hielten es für vorteilhafter, sich dem Wagen des Siegers anzuschließen. Kurz, niemals war ein Radziwill in solchem Zustande vom Kriegsplatze wiedergekommen. Und in dem Maße, wie früher die Schmeichelei der Höflinge keine Grenzen kannte, um Boguslaws Kriegstüchtigkeit zu preisen, in demselben Maße nahm die Unzufriedenheit mit Boguslaw in der zertrümmerten Armee zu. Der Fürst hielt es daher für ratsam, in der Arrieregarde zu bleiben.
Als Ketling den ganzen Sachverhalt erfuhr, ging er sofort zu Alexandra und teilte ihr alles, was er von den Zurückkehrenden erfahren hatte, mit.
»Doch ich wollte mit Ihnen über etwas anderes reden,« schloß er. »Der Fürst, krank und durch die letzten Mißerfolge gereizt, könnte Gott weiß was wagen. – Trennen Sie sich nie von Ihrer Tante und der Panna Borzobohata, insbesondere willigen Sie nicht darin ein, daß man den Miecznik nach Tylce schickt, wie man es unlängst getan hat.«
Alexandra antwortete nichts. Nach der letzten Begegnung mit dem Fürsten war der Miecznik sehr krank geworden, und Sakowicz hatte deshalb absichtlich das Gerücht verbreitet, daß man den Pan Billewicz nach Tylce geschickt habe. Alexandra wollte einem Fremden nicht eingestehen, daß man ihren Onkel wie einen Hofhund behandelt hatte, und sie erwiderte deshalb nichts. Ihr Herz war voll Bitterkeit gegen den jungen Offizier, in dessen Händen allein es lag, die ihr drohende Gefahr von ihr abzuwenden. Hätte er sich nicht geweigert, ihr beizustehen, so wäre sie längst außer dem Machtbereich Boguslaws.
»Ich danke Ihnen, Kavalier«, entgegnete sie endlich, »welch' Glück, daß diese Warnung Ihre Ehre nicht schädigt. – Der Fürst konnte Ihnen doch unter all den
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