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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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einen Blick zuwarf, für den er zu jeder anderen Zeit nicht unempfänglich gewesen wäre. Jetzt jedoch war ihm nicht zum Hof machen zumute.
    »Leider muß ich bald von hier fort,« erwiderte er, »statt meiner bleibt Pan Sakowicz hier, ein Mann, der, wenn er sich einmal Ihrer Sache angenommen hat, sie auch zu Ende führen wird. Er ist mein Freund, ein in jeder Hinsicht ehrenwerter Mann.«
    »Wird aber Pan Sakowicz seine Hilfe einem armen Mädchen leihen wollen?«
    »Weisen Sie ihn nur nicht ab, so ist er bereit, für Sie alles zu tun. Sie haben einen starken Eindruck auf ihn gemacht.«
    »Darf ich Ihnen denn glauben, Fürst? – Ich soll jemandes Herz verwundet haben?«
    »Das ist eine schlaue Bestie!«, dachte Boguslaw bei sich, laut aber sprach er: »Möge Sakowicz seine Sache selbst verfechten. Ich wiederhole Ihnen nur, daß er ein Mann aus guter Familie ist; einen solchen darf man nicht verschmähen!«

8. Kapitel.
    Am darauf folgenden Tage erhielt der Fürst einen Brief vom Kurfürsten mit dem Befehl, nach Krolewec zu eilen, um das Kommando über neu formierte Regimenter zu übernehmen. Der Elektor, der von dem kühnen Versuche Karl-Gustavs, ins Innere der Republik vorzudringen, wußte, sammelte mit fieberhafter Hast Truppen, um nötigenfalls seine Hilfe einer der kriegsführenden Parteien so teuer als möglich zu verkaufen.
    In Tauroggen blieb als unbeschränkter Herrscher Sakowicz zurück, der nur eine Macht anerkannte, – die Macht der Panna Anna Borzobohata. Und wie einst Boguslaw bemüht war, dem kleinsten Wunsche Alexandras zuvorzukommen, so las jetzt Sakowicz den Augen Panna Annas ihre Wünsche ab.
    Der Panna gefiel das Leben in Tauroggen ganz gut. Es war ihr ein angenehmes Gefühl, zu wissen, daß beim Einbrüche des Abends überall im Schlosse, in den Korridoren, in den Sälen, Seufzer der jungen und der alten Offiziere erschallten. Es seufzte der Astrolog, wenn er auf seiner Warte einsam nach den Sternen ausschaute, und selbst der alte Miecznik ließ den Rosenkranz mit einem Seufzer aus seinen Händen gleiten.
    Sakowicz machte der Panna Anna einen Monat nach der Abreise des Fürsten einen Heiratsantrag. Aber die Schelmin verstand es, ihm eine ausweichende Antwort zu geben. Sie sagte, sie könne einen so wichtigen Schritt nicht ohne die Einwilligung der Fürstin Gryzelda tun; auch kenne sie ihn zu wenig, um ihn lieben zu können. Deshalb wolle sie ihm ein Jahr lang Probezeit geben.
    Sakowicz bekämpfte in ihrer Gegenwart seine Wut. Als aber an demselben Tage ein Soldat einen kleinen Fehler verübte, ließ er ihn zu Tode prügeln. Hätte Panna Anna gewußt, wie teuer abseits stehende Leute ihre Antwort bezahlen mußten, so hätte sie Sakowicz vielleicht nicht so gereizt. Die Soldaten und die Einwohner Tauroggens zitterten vor ihm; Gefangene starben zu Dutzenden an Hunger und grausamen Martern.
    Es schien, als müßte der wilde Kommandant zuweilen seine erregte Seele in Menschenblut abkühlen. Dann sprang er auf sein Pferd und unternahm kleinere, militärische Exkursionen. Fast immer war er in seinen Kämpfen siegreich. Er schlug mehrere Parteien der Konföderierten, ließ den Gefangenen den rechten Arm abschlagen und schickte die so Verstümmelten nach Hause.
    Sein blutiger Name umgab Tauroggen wie mit einer Mauer, und selbst größere Parteien wagten sich nicht über Rosien hinaus. Unaufhörlich formierte der Kommandant neue Regimenter, um sie dem Fürsten im Falle der Not zu Hilfe senden zu können. Boguslaw hätte in der ganzen Welt keinen treueren Diener finden können.
    Und mehr und mehr sah er mit seinen drohenden, hellblauen Augen begehrlich auf Panna Anna, und öfter und öfter spielte er auf seiner Laute.
    So floß das Leben in Tauroggen dahin, – fröhlich und mannigfaltig für Anna Borzobohata, bedrückend und langweilig für Alexandra. Die erstere strahlte vor Freude, das Gesicht Alexandras wurde mit jedem Tage blasser und finsterer. Die Falte zwischen ihren Augen wurde immer tiefer, so daß ihre Brauen fast zusammenstießen. Ein jeder nannte sie kurzweg die Nonne, und sie selbst begann sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß Gottes Hand sie durch Leiden und Kummer früher oder später zu dem stillen Zufluchtsorte des Klosters führen werde. Sie war nicht mehr jenes Mädchen, das einst mit roten Wangen und funkelnden Augen mit ihrem Verlobten durch den vom Schnee verwehten Wald rannte, das fröhlich und sorglos zu lachen wußte.
    Inzwischen hatte der Frühling seinen Einzug gehalten.

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