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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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die Tataren in Reih und Glied direkt zu der von der feindlichen Artillerie beschossenen Furt. – Immer näher kommen sie der verhängnisvollen Stelle. – Augenscheinlich lassen die Kräfte der tatarischen Pferde nach; die Entfernung zwischen ihnen und dem nachsetzenden Feinde wird immer kleiner. Die vordersten Reiter haben die Fliehenden erreicht und schlagen schon los. Noch einige Schritte, und das Flüßchen ist da. – Da aber ereignete sich etwas Überraschendes.
    Kaum hatte die Tatarenabteilung den Fluß erreicht, als wieder der durchdringende Pfiff der Rohrpfeifen auf beiden Flügeln erscholl. Und die ganze Abteilung, anstatt in den Fluß zu sprengen, teilte sich in zwei Teile und zerstreute sich nach rechts und links längs des Ufers.
    Die schweren feindlichen Regimenter konnten ihre Pferde nicht so schnell zum Stehen bringen und rasten in den Fluß hinein.
    Die schwedische Artillerie verstummte, um nicht die eigenen Soldaten zu treffen. Auf diese Minute hatte Gosiewski wie auf seine eigene Rettung gewartet.
    Er ließ das königliche Banner Woinillowicz', dann das Laudaer, Korsaks, zwei hetmansche und das Panzer-Banner des Fürsten Michail Radziwill los.
    Ehe der Feind sich noch formieren konnte, sprengte Woinillowicz' Banner die roten Dragoner auseinander, schnitt Boguslaws Regiment in zwei Teile und jagte sie alle der Hauptmacht des Feindes zu.
    Der Fluß färbte sich rot von Blut. Die Geschütze dröhnten wieder los, aber zu spät. Denn schon rasten acht litauische Banner über die Wiese dahin, und die Schlacht begann auf der anderen Seite des Flusses.
    Graf Waldeck, Boguslaw und Israel führten ihre ganze Kavallerie ins Treffen, um den ersten Sturm aufzufangen und die Infanterie sich formieren zu lassen. Aber der Anprall der litauischen Banner war so heftig, daß ein Widerstand nicht möglich war. Die Infanterie, die Karrees gebildet hatte, konnte auch dem rasenden Angriffe nicht standhalten. Und inmitten des Pulverdampfes der Musketenschüsse, die die zweiten und dritten Reihen der Karrees abgaben, erblickten die ersten Reihen Tausende von Pferdehufen über ihren Köpfen. Die Luft erzitterte von tausendstimmigen Rufen.
    Ein Regiment nach dem anderen ward zertrümmert.
    Noch brauchten die Schweden die Hoffnung nicht aufzugeben, noch konnte der Sieg sich ihnen wieder zuwenden, da im Lager noch zwei frische Regimenter lagen, die in jeder Minute herangezogen werden konnten.
    Graf Waldeck hatte völlig den Kopf verloren. Fürst Boguslaw übernahm den Befehl und leitete die ganze Schlacht. Die Gefahr erkennend, schickte er eine Ordonnanz zu den Reserveregimentern. Nach einer halben Stunde kehrte der Bote bleich, ohne Mütze, mit verzweifeltem Gesicht zurück.
    »Im Lager sind die Tataren!« schreit er schon aus der Ferne Boguslaw zu.
    Gleich darauf nahten Dutzende von schwedischen Reitern in völliger Auflösung. Die Infanteristen hatten ihre Waffen von sich geworfen. Vollgepackte Fuhren, deren vorgespannte Pferde scheu geworden waren, rasten nach allen Seiten dahin. Überall herrschte völlige Verwirrung.
    »Hassan-Bey ist ins Lager eingedrungen!« ruft Gosiewski erfreut. Und dann schickt er seine zwei letzten Banner ins Feuer.
    Boguslaw, der sieht, daß alles verloren ist, will am allerersten sich und einen kleinen Teil seiner Reiterei retten.
    Mit übermenschlicher Anstrengung sammelt er eine Anzahl Reiter um sich und reitet links das Ufer entlang.
    Aber da überfällt ihn mit seinen Husaren Fürst Michail, und mit einem Schlage vernichtet er die ganze Abteilung. Boguslaw rast auf dem schwarzen Gaul Kmicic' wie der Wind davon und bemüht sich von neuem, durch Rufe mehrere Reiter um sich zu sammeln. Niemand hört auf ihn, ein jeder ist froh, mit dem Leben davongekommen zu sein und keinen Feind vor sich zu haben.
    Doch vergebens die Freude! Kaum haben sie sich einige tausend Schritt entfernt, als hinter ihnen und vor ihnen ein wildes Geheul erschallt. Aus dem Schilfe taucht ein ganzer Haufe Tataren auf.
    Es war Kmicic mit seiner Abteilung. Er hatte sich mit seinen Leuten im Schilf verborgen, um, nachdem sie sich von dem ersten Zusammenstoß erholt hatten, dem fliehenden Feinde den Rückzug abzuschneiden.
    Kmicic erkannte Boguslaw sofort an dem Gaul und an dem Hute mit den schwarzen Straußenfedern.
    Sobald der Fürst Kmicic' und seiner wilden Schar gewahr wurde, gab er seinem Pferde die Sporen und flog wie ein von der Meute verfolgter Hirsch dahin. Er beugte sich bis zum Sattel herab; sein Pferd berührte

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